In den siebziger und achtziger Jahren sind sechs Milliarden Mark in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs investiert worden.

Stuttgart - Wenn sich der heute achtzigjährige Hans-Dieter Künne an seine aktive Zeit als Technikbürgermeister im Rathaus erinnert, werden die siebziger Jahre plötzlich wieder lebendig: "Man hat mich und die Bauverwaltung damals kräftig beschimpft. Aber alles ist im Rahmen geblieben. Solche Montagsdemonstrationen wie jetzt gegen Stuttgart 21 hat es nicht gegeben. Dabei waren die Belastungen für die Anwohner der betroffenen Straßen nicht von Pappe.

"Der breite politische Konsens im Gemeinderat, so Künne heute, habe sich in der Bürgerschaft fortgesetzt: "Jeder hat eingesehen, dass die autogerechte Stadt eine Illusion bleiben wird - zum Bau der Stadtbahn und auch der S-Bahn gab es eben keine Alternative." Alle hätten dieses Jahrhundertprojekt mitgetragen, angefangen bei Oberbürgermeister Manfred Rommel bis hinein in die Bezirksbeiräte. Mehr noch, so weiß Hans-Dieter Künne: "Auch in der Region hat man die hohen Stuttgarter Investitionen mit Wohlwollen und Interesse begleitet." Schließlich hätten ja alle davon profitiert. Stuttgart ohne seine U-Bahn-Strecken - das kann sich Hans-Dieter Künne schlechterdings nicht vorstellen. Die S-Bahn hält der passionierte Verkehrsplaner geradezu für einen Segen. Natürlich seien die Milliarden viel Geld gewesen, aber ohne sie - nicht auszudenken, wie die Stadt heute aussähe.

Die alten Fotos aus dem Archiv zeigen es eindrucksvoll: überall in der Innenstadt klafften tiefe Löcher, die Anwohner mussten sich oft an den Rändern entlangzwängen. An Autoverkehr war über Monate nicht zu denken, von Dreck, Lärm und Gestank ganz zu schweigen. Das meiste wurde in offener Bauweise hergestellt. Der Schlossplatz glich einer Großbaustelle, ebenso der Klettplatz vor dem Hauptbahnhof und auch der Friedrichsplatz.

Bürger wurden frühzeitig über das Bauvorhaben informiert


Hans-Dieter Künne persönlich war es, der für die Strecke nach Degerloch die sogenannte Fenstertrasse ersann: "Die Fahrgäste sollten die Möglichkeit haben, auf unsere schöne Stadt zu blicken." Das tun die Fahrgäste bis heute.

Und Künne erinnert sich, als ob es erst gestern wäre, an noch etwas: "Wir haben die Bürger frühzeitig und intensiv darüber informiert, was auf sie zukommt." Das habe man mit einer Vielzahl von anschaulichen Sonderdrucken getan, die in die Briefkästen gesteckt wurden, das habe man auf Bürgerversammlungen in den betroffenen Gebieten getan; das Internet gab es damals noch nicht. Und wenn wieder einmal ein Teilstück fertig war, eine Haltestelle oder gar ein Knotenpunkt, dann, so erinnert sich Hans-Dieter Künne, "strömten Tausende herbei, um es mitzuerleben, nicht nur die Großkopfeten".