Wie man Kindern Landwirtschaft näherbringt? Mit echten Pferden zum Anfassen und einem Holzpferd zum Mitnehmen.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Möhringen - Das ist mal eine Überraschung: Als die Kinder aus der U-Bahn aussteigen, erwartet sie Klaus Brodbeck bereits mit seinem Traktor. Die Mädchen und Jungen dürfen auf dem Anhänger Platz nehmen. Dann startet der Möhringer Landwirt den Motor und fährt zu seinem Betrieb an der Lohäckerstraße. Wie ihnen die Fahrt gefallen habe, will Klaus Mugele hinterher wissen. Ein Junge antwortet dem Vizepräsidenten des Landesbauernverbands (LBV) offen und ehrlich: „Es hat Spaß gemacht, aber es war ein bisschen zu warm.“ Schlussfolgerung: Bei der nächsten Fahrt wäre ein Planwagen besser.

 

18 Kinder im Alter von vier bis sechs Jahren besuchen an diesem Mittwochmorgen den Pferdehof der Familie Brodbeck. Sie kommen von der städtischen Kita Hedelfingen an der Heumadener Straße. Der Pferdehof sei eine Art Frühstückspension, erklärt ihnen Brodbeck. In den Boxen stehen 25 Pferde, doch nur eines gehört den Brodbecks. Die anderen Tiere wohnen nur dort und werden morgens von dem Landwirt und seinen Kollegen versorgt. Für den Rest sind die Pferdebesitzer verantwortlich. Sie misten den Stall aus, bringen die Pferde auf die Koppel, reiten aus und geben den Tieren ihre zweite Mahlzeit.

Zum Holzpferd dazu gibt es einen Infokoffer

Die Freude bei den Kindern ist groß, als Monti und Nandu um die Ecke kommen. Von dem kleinen Nandu ist bald gar nichts mehr zu sehen, weil so viele Mädchen und Jungen um ihn herumstehen, um ihn zu streicheln. Das Pony nimmt es gelassen. Der deutlich größere Monti ist da erst einmal abgeschrieben. Doch später dürfen die Kinder auf dem 14-Jähringen Wallach reiten. Alle trauen sich. Manche bringen sogar schon etwas Erfahrung mit. „Gehst du jede Woche zum Reiten?“, fragt die Erzieherin das Mädchen mit den halblangen dunkelblonden Haaren. „Nein, nur jeden Mittwoch“, so ihre Antwort. Dann gibt es noch eine Überraschung. Denn zu gern würden die Kinder eines der Pferde mit nach Hause nehmen oder wenigstens als Gemeinschaftspferd mit in den Kindergarten. Aber das geht natürlich nicht.

Doch dafür bekommen die Kinder das Holzpferd Blinki – mit Fellüberzug und Mähne, sodass die Mädchen und Jungen es sogar striegeln können. Dazu gibt es einen Lernkoffer. In diesem sind kindgerecht aufbereites Informationsmaterial und verschiedenen Spielideen rund ums Pferd.

100 Holzpferde für 100 Kindergärten

Hintergrund der Aktion ist das 100. Landwirtschaftliche Hauptfest auf dem Cannstatter Wasen. Zu diesem lädt der Landesbauernverband vom 29. September bis 7. Oktober ein. Aus diesem Anlass verschenkt der LBV 100 Holzpferde an 100 Kindergärten. Einrichtungen können sich dafür bewerben. Für die städtische Kita Heumadener Straße haben Eltern das übernommen. „Wir Erzieher wurden dann von der freudigen Nachricht überrascht, dass wir ein Holzpferd bekommen“, sagt Anna Meiselbach. Für die Kinder sei der Besuch auf dem Pferdehof ein tolles Erlebnis. Darum geht es auch Klaus Mugele. „Wir wollen den Kindern den Umgang mit den Tieren näherbringen“, sagt der LBV-Vizepräsident. Früher seien Pferde wichtige Arbeitstiere der Landwirte gewesen. Heute würden sie in erster Linie im Sport- und Freizeitbereich eingesetzt. „Insgesamt stehen in Baden-Württemberg über 63 000 Pferde in bäuerlichen Ställen. Sie sind zu einem bedeutenden Betriebszweig geworden“, sagt Mugele.

So ist es auch bei Klaus Brodbeck. Er bewirtschaftet 65 Hektar landwirtschaftliche Fläche. Sein Betrieb hat mehrere Standbeine. Neben der Pensionspferdehaltung sind das die Direktvermarktung und der Bio-Ackerbau. „Öffentlichkeitsarbeit ist für uns wichtig. Wir bieten immer wieder Führungen an, um den Menschen in der Stadt die Landwirtschaft näher zu bringen“, sagt der Möhringer.