Stuttgart muss Ersatz für Statistisches Landesamt bieten Land will Fläche auf S-21-Areal kaufen

Das Statistische Landesamt hat den Innenstadt-Standort Heslach verlassen, das Gebäude steht bald leer. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Stuttgart will den bisherigen Bürostandort für den Wohnungsbau öffnen. Das Land fordert in dem Handel nicht nur viel Geld, sondern perspektivisch auch neue Flächen.

Die Landeshauptstadt ist in ihrem langen Ringen um den Kauf des alten Statistischen Landesamtes auf dem Schoettle-Areal in Heslach einen Schritt weiter. Am Donnerstag beschloss der Gemeinderat in nichtöffentlicher Sitzung den Kauf eines 6000 Quadratmeter großen Grundstücks an der Böblinger Straße vom Land, dem Vernehmen nach einstimmig. Doch das Land will nicht nur Geld.

 

Auf der Fläche steht mit der Hausnummer 68 der 19 700 Quadratmeter große Bürobau der Behörde, die nach Fellbach abwandert. Letzter Umzugstag soll der 30. Juni sein. Der Stahl-Glas-Komplex stammt aus den 1970er Jahren und gilt als veraltet. Die erwartete Lebensdauer der technischen Komponenten und insbesondere der Elektroinstallation sei „bereits deutlich überschritten“, heißt es in der Vorlage an den Gemeinderat.

Gemeinsames Gutachten zur Preisfindung

Der Wert der Liegenschaft, auf der die Stadt überwiegend Wohnungsbau realisieren will, wird dennoch auf 28,9 Millionen Euro geschätzt. Auf diesen vorläufigen Kaufpreis, ermittelt mit einem gemeinsamen Gutachten, haben sich Stadt und die Immobilienverwaltung des Landes geeinigt, er ist im Haushalt finanziert. Die Verkaufszusage des Landes ist noch nicht fix. Der landesinterne Genehmigungsprozess stehe noch aus, heißt es.

Neues Planrecht kostet viel Zeit

Die Abrisskosten in Höhe von 3,1 Millionen Euro sind bei den 28,9 Millionen bereits abgezogen, nicht aber der Abriss eines Steges und Leitungsverlegungen, die auf das Konto des Landes gingen. Würde die Stadt auf der Fläche geförderten Wohnraum bauen – möglich wären bei 80 Quadratmeter großen Wohnungen bis zu 155 Einheiten, könnte sie aus einem Förderprogramm des Landes mit einer Grundstücksverbilligung von maximal 3,875 Millionen Euro rechnen. Allerdings müsste dazu die Förderfrist von vier Jahren bis zur Bezugsfertigkeit gelängt werden. Denn für einen derartigen Wechsel der Bebauung braucht die Stadt einen neuen Bebauungsplan. Bei einer weiterhin reinen Büronutzung wäre die Fläche laut Stadtmessungsamt 17,7 Millionen Euro wert.

Die Umnutzungspläne für das Schoettle-Areal existieren schon länger, es soll zum Wohnungsbauschwerpunkt werden. Nach dem Erwerb wäre vermutlich eine Zwischennutzung möglich und nötig, denn neues Planrecht zu schaffen dauert erfahrungsgemäß Jahre.

Standort für Flüchtlinge nicht vom Tisch

Ausdrücklich nicht erledigt ist mit Einigung auf den vorläufigen Kaufpreis die Prüfung des Landes, ob der Standort als Landeserstaufnahmestelle (Lea) für Flüchtlinge geeignet ist. Drei Liegenschaften im Stadtgebiet hat das Land dafür in den Blick genommen, neben dem Schoettle-Areal mit den Hausnummern Böblinger Straße 68-70 zwei große, leer stehende Bürohäuser in Weilimdorf und in Obertürkheim. Die Standorte seien „weiterhin in der ergebnisoffenen Prüfung“, so ein Sprecher des von der CDU geführten Justiz- und Integrationsministeriums auf Anfrage. Das Land benötigt mittelfristig 9000 Plätze zur Flüchtlingsunterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen. Von diesen aus werden die Menschen in die Kreise und Städte verteilt.

Land erhält Erstzugriffsrecht

Mit dem Kaufpreis wäre zwar der Erwerb abgegolten, die Stadt geht aber eine Absichtserklärung („Letter of Intent“) ein. Sie erklärt sich dazu bereit, dem Land auf dem Stuttgart-21-Gelände zwischen Europaviertel, Wolframstraße und Schlossgarten (Gebiet A 2) eine „adäquate Ersatzfläche“ zur Verfügung zu stellen.

Dieser Handel wird mit dem langfristig hohen Bedarf nach Flächen für Behörden begründet. Der Rahmenplan für das Gebiet sieht 70 Prozent Wohnen und 30 Prozent andere Nutzung vor. Selbst wenn der Gemeinderat ein Erbbaurecht beschließen würde, dürfte das Land kaufen. Es erhält ein „Erstzugriffsrecht“ für jede zur Bebauung anstehende Fläche.

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