Das Geschäft mit der Nacht hat viele Facetten. Und es ist ein lohnendes und stadtprägendes. Lange hat man in Stuttgart gebraucht, um das zu erkennen. Nun gibt es zwei Nachtmanager, die sich darum kümmern.

Der Chef selbst macht auch seine Aufwartung. Bernhard Grieb ist der Leiter der Wirtschaftsförderung und damit der Boss von Nachtmanager Andreas Topp (38). Er sitzt beim Gespräch anfangs mit dabei und zeigt so: Das Geschäft mit der Nacht ist wichtig. Man kann das für albern oder selbstverständlich halten, aber nachdem Griebs Vorgängerin Ines Aufrecht nicht nur in dem Bereich eine unglückliche Figur abgab, zeigt dies auch in die Szene hinein: Wir sehen Euch und Eure Sorgen, Nöte und Anliegen.

 

Warum ein Duo?

Die Aufgabe des Nachtmanagers ist anspruchsvoll: Deshalb sollen sie sich zwei Menschen teilen. Seit einem starken Jahr ist wirkt Nils Runge beim Pop-Büro und ist das offizielle Gesicht der Stuttgarter Nachtkultur. Er soll in die Öffentlichkeit wirken, Verständnis für die Belange der Clubbetreiber, Musikszene und Veranstalter wecken und für deren Anliegen werben, aber auch vermitteln, wo es in der Stadt Probleme gibt, etwa durch Lärm, Dreck und Drogen.

Der Lotse für den Tanker Stadt

Andreas Topp hingegen soll als Lotse in die Verwaltung dienen. Nicht minder wichtig, aber es schmeichelt dem Ego nicht so sehr und man bekommt am Ende viel Prügel ab für Dinge, für die man nichts kann. Wenn die TA Lärm und der Bebauungsplan und das Baurecht Clubs und das Tanzen und Musizieren auf öffentlichen Flächen verhindern, ist nicht der Gesetzgeber Schuld – sondern die böse unwillige Stadt. Und damit künftig auch Andreas Topp. Er kennt diese Mechanismen der „Sippenhaft“, „ich weiß genau, worauf ich mich einlasse“, sagt Topp.

Wo sind die Nischen?

Der Soziologe und Landesplaner hat in Hamburg und Berlin gearbeitet, war zuletzt in Reutlingens IHK für die Stadtentwicklung und den Handel zuständig. Und er kennt die Stadt. Mit 16 war er bei Muse in der Röhre, mit 18 cruiste er die Theo-Heuss entlang. Beides einst Ort für Nachtschwärmer sind sie nun verödet. Die Röhre fiel S 21 zum Opfer, die Theo Heuss hatte sich überholt. Nichts ist für die Dauer. Gerade im Nachtleben.

Zapata, Müsli, M1, Radio-Bar, Unbekanntes Tier, Zwölfzehn, Bravo Charlie, Keller Club und viele andere sind gekommen und gegangen. Aber wo sind die Nachfolger? Wo findet sich Platz für Livebühnen und Clubs in dieser sündhaft teuren Stadt? „Viele engagierte Leute“ gibt es hier, sagt Topp, die gerne Neues wagen möchten. Ihnen Nischen zu eröffnen, das ist eine seiner Aufgabe.

Die Suche nach Orten

Leerstände versuchen sie zu erheben, Zwischennutzungen zu vermitteln, und gerade prüft die Stadt Orte im Freien, ob sie sich für Veranstaltungen nutzen ließe. „Welche das sind, möchte Topp lieber nicht verraten. Um keine Hoffnungen zu wecken, die womöglich an der TA Lärm zerschellen. Es ist mühsam, er weiß das. „Aber die Stadt muss sich öffnen, und will sich öffnen.“ Seine Aufgabe ist es, „die Prozesse sauber darzustellen, Transparenz zu schaffen“, Ansprechpartner zu vermitteln und auch mal die Kollegen bei der Stadt zu schubsen, wenn es etwas länger dauert.

Was ist das, das Nachtleben?

Doch was ist das überhaupt, dieses Nachtleben? Man geht aus, essen, tanzen, ins Theater oder Kino. Aber man nutzt auch den Nahverkehr, fährt Taxi, isst einen Döner, trinkt ein Bier am Kiosk. Um eine Klammer für all das zu finden, spricht man von der Nachtökonomie oder griffiger von der „Stadt nach acht“. All diese Akteure haben unterschiedliche Aufgaben und Blickwinkel und daraus folgend unterschiedliche Interessen. Manche bündeln sie, wie die Clubs oder die Veranstalter, die sich zusammengeschlossen haben, um mit einer Stimme zu sprechen. Andere ringen um Gehör.

Studie geplant

Viel weiß man allerdings nicht. Das soll sich nun ändern. Betonen Topp und Grieb unisono. „Auf welchem Niveau sind wir?“; das möchte man mit einer Studie herausfinden, für die gerade die Ausschreibung läuft. Wie viel Geld wird umgesetzt? was gibt es? Was fehlt? Gerade im Vergleich mit anderen Städten. Denn das Nachtleben ist nicht nur Spaß und Selbstzweck und Wirtschaftsfaktor, es dient auch dazu, um Arbeitskräfte zu locken und in der Stadt zu halten. „Absolventen fragen bei der Jobsuche auch: Was ist da los?“, sagt Grieb.

Was gibt es für Ideen?

Oder um es anders zu sagen, wie der Soziologe Topp. „Städte haben eine Versorgungs- und Erlebnisfunktion“, also einkaufen und zum Beispiel ausgehen. Dieses zu verzahnen, da sieht Topp noch Luft nach oben. Flächen fehlen, oder zumindest bezahlbare Flächen. Warum kann nicht ein Kaufhaus abends ein Club werden, oder das Café zu einer Bühne? Ideen gibt es viele. Damit sie nicht an Denkverboten und Vorschriften scheitern, darf sich nun Andreas Topp ihrer annehmen. Als einer von zwei Männern für die Nacht.