Beim literarischen Spaziergang mit Bernd Möbs in Stuttgart-Nord begaben sich die Teilnehmer auf die Spuren des Stuttgarter Schriftstellers Hermann Lenz.

Stuttgart-Nord - Grau war’s, kalt auch – ein Nachmittag so recht zum Daheimbleiben. Und doch hat wahrscheinlich jeder der Unentwegten, die am Sonntagnachmittag mit Stadtführer Bernd Möbs auf Tour gingen, etwas Lichtes und Helles mit nach Hause gebracht. Denn es ging nicht nur um das Leben und Schaffen des Stuttgarter Schriftstellers Hermann Lenz, sondern auch um kleine Fluchten und um die Frage, was wir von unserer Umgebung überhaupt wahrnehmen.

 

In der Biografie von Hermann Lenz (1913 - 1998) beeindruckt auch seine Bescheidenheit: Es zog ihn nicht in die große weite Welt hinaus, er strebte nicht nach Reichtum – Stuttgart und das Dachstüble im elterlichen Haus auf dem Killesberg war ihm genug. Für sich bleiben und schreiben, hatte er sich schon vorgenommen, als er aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, und später resümierte er: „Kein Haus gebaut/Keinen Sohn gezeugt/Nur Bücher geschrieben.“ Und weiter: „Geschafft hast du es nie./Wenn du nur durchkommst.“ Fest steht dabei freilich auch: Kaum einer hat die Landeshauptstadt so liebevoll und so poetisch beschrieben wie Hermann Lenz.

Erinnerungen an die „Villa Wolf“

Am Sonntag führte der Stadtspaziergang also zum vormaligen Wohnhaus und Lebensmittelpunkt des Schriftstellers. Und dann weiter zu den Wegmarken, die sein Alter Ego Eugen Rapp in den Novellen beschreibt. Etwa zu den längst verschwundenen Überresten der „Villa Wolf“ am Tazzelwurm, die er als „Baugrube mit gelb gekachelten Grundmauern im verwilderten Park“ beschreibt. Der Schriftsteller war nicht der Einzige, den die Ruine beeindruckt hatte: „Darin bin ich auch immer herumgelaufen“, erinnerte sich einer der Literaturspaziergänger en passant.

Für Lenz waren solche Überbleibsel vergangener Zeiten eine Fundgrube der Inspiration. Ohnehin schien er „wie viele Künstler ein wenig aus seiner Zeit herausgefallen“, brachte es Bernd Möbs bei der Führung auf den Punkt. Wahrscheinlich hätte Lenz lieber in einer romantischen Vergangenheit gelebt, als in der Gegenwart mit ihrer Geldnot und den familiären Streitereien. Andererseits hatte er aber auch die Gabe, Schönheit unmittelbar vor seiner eigenen Haustür zu erkennen. Der Spaziergang auf den Spuren von Hermann Lenz wurde da auch zum Lehrstück in Sachen Wahrnehmung und künstlerischer Inspiration. Nicht umsonst hatte Möbs den Rundgang mit dem Lenz-Zitat „Es soll sich Licht ausbreiten zwischen den Wörtern, damit die Welt heller wird“ überschrieben. Wie der Schriftsteller die Natur, allem voran aber das Licht in seinen Novellen beschreibt, das zeigt seine wahre Größe: „Jetzt waren die nach Westen ansteigenden Hügel mit den Wölbungen der Laubbäume im Abendschein dunkel geworden, und über ihnen das Licht weit, goldflüssig als ein Schein mit grünem Schimmer zwischen violetten und schweren Wolken.“

„Man muss bedenken: Das ist nicht Griechenland, das ist nicht Arkadien, das ist Stuttgart“, sagte Möbs beim Halt am Bonatzweg. Aber ein wenig konnten schließlich auch die Literaturspaziergänger an diesem grauen und kalten Nachmittag erkennen, was Hermann Lenz so sehr mit seiner Stadt verbunden hat – ein Spaziergang macht’s möglich.

Info Am Freitag, 10. März, führt Bernd Möbs von 17 Uhr an über den Hoppenlaufriedhof. Treffpunkt ist am Friedhofseingang neben dem Kongresszentrum Liederhalle. Anmeldung erbeten unter Telefon 07 11/262 41 17. Am Samstag, 22. April, 16.30 Uhr, geht es erneut auf den Spuren von Hermann Lenz über den Killesberg. Man trifft sich an der Bushaltestelle „Kunstakademie“ der Buslinie 44. Und am Donnerstag, 25. Mai, nehmen Bernd Möbs und der Musiker Sergio Vesely unter dem Motto „Oh Bismarckturm, Oh Killesberg, Oh Stuttgarts schöne Höh’n“ mit auf eine Entdeckungstour mit Weinverkostung. Treffpunkt ist am Bismarckturm um 15 Uhr.