Die Obertürkheimer bangen um die Zukunft ihres Cap-Marktes. Sie sehen die Nahversorgung in ihrem Stadtbezirk durch Untertürkheimer Pläne gefährdet.

Obertürkheim - Was wäre, wenn es den Cap-Markt nicht mehr gäbe? „Das wäre für die Obertürkheimer und Uhlbacher eine Katastrophe“, ist Silvia Rienhardt überzeugt. Klar, es gebe noch eine Aldi-Filiale im Stadtbezirk, „aber die liegt fast schon in Mettingen, also weit weg vom Ortszentrum“. Auch die Kaufland-Filiale in Untertürkheim sei für die rund 8700 Einwohner des Stadtbezirks nicht fußläufig zu erreichen, sondern nur mit dem Linienbus oder dem Auto. „Zum Cap-Markt gibt es keine Alternative“, sagt Rienhardt resolut. Denn dort bekomme man alles, was man für den täglichen Bedarf benötige – und leider auch nur noch dort, beschreibt sie mit wenigen Worten den Niedergang des Einzelhandels im Ort: Als die mittlerweile pensionierte Lehrerin 1985 nach Obertürkheim zog, habe sich in der Augsburger Straße ein Geschäft ans nächste gereiht. Heute ließen sich die wenigen Läden an einer Hand abzählen.

 

Bedrohliche Umsatzeinbußen

Und deshalb kämpfen die Obertürkheimer so engagiert um den Erhalt ihres Cap-Marktes, ihres buchstäblichen „Lebensmittelpunktes“, den sie bedroht sehen durch Pläne im benachbarten Untertürkheim. Auf dem Postareal soll ein neues Stadtquartier entstehen – mit einem Aldi-Markt direkt gegenüber des dortigen Cap-Marktes. „Natürlich ist die Ortskernaufwertung für Untertürkheim eine gute Sache“, räumt Rienhardt ein. „Wir verstehen auch, dass man etwas gegen das Ausbluten unternehmen will.“ Doch der geplante Discounter gefährde die Existenz des Cap-Marktes. Man bräuchte keine prophetische Gabe um vorauszusagen, dass er mit den Billigpreisen der Konkurrenz nicht mithalten könne, so Rienhardt. „Ein Gutachten der städtischen Wirtschaftsförderung geht von bis zu 30 Prozent Umsatzeinbußen aus.“

Die Krux: Geht der Untertürkheimer Cap-Markt den Bach runter, reißt er den Obertürkheimer Cap-Markt mit sich – denn sie bilden laut Gerhard Sohst, dem Geschäftsführer der Markt & Service GmbH, eine wirtschaftliche Einheit. Eigenständig existieren könne er trotz der im Schnitt 1000 Kunden am Tag nicht, glaubt auch Rienhardt: „Kein anderes Unternehmen wollte den Standort übernehmen, weil er sich einfach nicht rechnet.“

Integrativer Ansatz

Was es bedeutet, ohne einen Vollsortimenter auskommen zu müssen, haben die Obertürkheimer schon einmal durchlitten: Als Edeka im Jahr 2000 die Filiale im Obertürkheimer Markt dichtmachte, stand das Geschäft einige Jahre leer. „Das war eine sehr schwierige Zeit“, erinnert sich Rienhardt. „Deshalb haben wir uns auch sehr gefreut, als dann der Cap-Markt kam.“ 2004 sprang das Sozialunternehmen Markt & Service, eine Tochtergesellschaft der Caritas in Stuttgart, in die Bresche, um die Versorgungslücke zu schließen.

Mit der Eröffnung der Cap-Märkte in Obertürkheim und Untertürkheim (wo Edeka den Laden am Storchenmarkt aufgegeben hatte), betrat die Caritas dereinst Neuland: Es ging nicht nur darum, die Nahversorgung vor Ort zu sichern, sondern gleichzeitig um die Schaffung von Arbeitsplätzen für behinderte Menschen. Die Quote der gehandicapten Angestellten muss bei mindestens 25 Prozent liegen. Auf Gewinnerzielung ist das Konzept nicht ausgelegt. Gerade dieser integrative Ansatz mache die Cap-Märkte so besonders, sagt Rienhardt, die gern dort einkaufen geht: „Die Mitarbeiter sind ausgesprochen freundlich und hilfsbereit, viele arbeiten schon lange hier, man kennt sich. Wir sind deshalb entsetzt, dass man so ein sinnvolles und funktionierendes Modell infrage stellt.“

Fragen offen

Dass die Pläne in Untertürkheim erst in einigen Jahren umgesetzt werden, beruhigt Rienhardt nicht. 5000 Unterschriften hat sie mit ihrer Initiative „Pro Cap“ für den Erhalt der beiden Märkte gesammelt. „Und wir werden weiter Druck machen“, kündigt sie an. Denn auch mit dem jüngst entschiedenen Gutachterwettbewerb für das Postareal sei der Konflikt nicht ausgeräumt: Die Politiker hätten zwar versprochen, dass die Cap-Märkte in Unter- und Obertürkheim und damit die Arbeitsplätze für behinderte Menschen erhalten bleiben sollen, „aber wie das funktionieren soll, darauf gibt es bislang keine Antwort“, kritisiert sie.