Bei besonderen Anlässen dürfen die Mitglieder des Schützenvereins in Stuttgart-Plieningen auch außerhalb ihres Bunkers Schüsse abgeben. Eine Frau sieht deshalb Menschen sowie Tiere in Gefahr.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Plieningen - Um sie selbst gehe es ihr in der Angelegenheit nicht, sagt Susanne Marbach. Vielmehr sorge sie sich um die Tiere und andere Menschen. Die 56-Jährige wohnt seit einem knappen Vierteljahrhundert an der Allgäustraße in Plieningen, von ihrem Balkon aus kann sie bis zum Vereinsheim des Schützenvereins am Rande des Naturschutzgebiets Häslachwald sehen – und hören. Bis vor zwei, drei Jahren hat sie wenig von den Schützen mitbekommen. Nun hat sich das geändert.

 

„Mitten in der Brutzeit, Ende Mai, haben die Schützen Salutschüsse abgegeben“, berichtet sie. „Das ist genau die Zeit, in der Rehe ihre Kitze ablegen und Vögel Junge haben. Und Jungvögel können vor Schreck über das Geballer aus dem Nest fallen.“ Für dieses unsensible Verhalten hat Susanne Marbach wenig Verständnis: „Wenn die das zu einer anderen Zeit im Jahr machen, würde ich nichts sagen.“ In den vergangenen drei Jahren bekomme sie aber zunehmend den Eindruck, dass der Schützenverein „mache, was er wolle“.

Geschossen wird in der Regel in einer Art Bunker

Susanne Marbach hat als Tierliebhaberin selbst mehrere Tiere, unter anderem eine Hündin. „Die ist sehr ängstlich, wenn es drüben auf einmal so knallt. Und bei unserem vorigen Hund war es noch viel schlimmer; er hat nur noch gezittert. Wir mussten dann immer mit ihm in den Keller gehen“, berichtet sie.

In der Regel dürfen Schützenvereine lediglich in schallgeschützten Räumen mit Kurz- und Langwaffen schießen. Auch beim Plieninger Schützenverein ist das so; geschossen wird in einer Art Bunker unter dem Vereinshaus. Wenn jemand eine Waffe mit nach draußen nehme und diese dann auch noch geladen sei, würde das den sofortigen Ausschluss aus dem Verein und eine Mitteilung an die Waffenbehörde bedeuten, betont der Vorsitzende des Schützenvereins Hans-Jürgen Dietz.

Salutschüsse werden auch draußen abgegeben

Eine Ausnahme bilden die Salutschüsse; also Ehrensalven aus alten Pistolen oder entsprechenden Nachbauten. „Etwa dreimal im Jahr werden unsere Böllerschützen zu besonderen Anlässen aktiv und geben Salutschüsse ab“, sagt Dietz. „Das ist eine alte Tradition die von uns auch gepflegt wird.“ Besondere Anlässe seien zum Beispiel das Plieninger Dorffest. Jeder Einsatz der Böllerschützen werde jedoch vor Beginn den Behörden mitgeteilt und müsse von diesen auch genehmigt werden, sagt Dietz. Von den Behörden werde auch die Polizei informiert. Die Böllerschützen müssten zudem einen Pulver- und Wiederlade-Schein besitzen.

Gelegentlich werden diese Salutschüsse auch auf der Grünfläche vor dem Vereinsheim unweit des Wohngebiets abgegeben, räumt Dietz ein. Jedoch werde der Gefahrenbereich dann umfassend gesichert. „Auch Fußgänger oder Radfahrer werden von uns kurzfristig gestoppt und informiert, dass gleich laute Schüsse abgegeben werden und sie gegebenenfalls ihre Ohren schützen sollen.“ Laut Susanne Marbach klappt dieses Warnsystem jedoch nicht immer. Sie hat vor Kurzem beobachtet, wie eine Frau vom Fahrrad gefallen sei, weil sie wegen der Schussgeräusche so erschrocken ist. Die Schützen wollen von einem solchen Unfall nichts wissen: „Uns ist lediglich bekannt, dass Radfahrer die Abfahrt den Buckel hinunter Anlauf nehmen und mit großer Geschwindigkeit den Spazierweg durchfahren. Dabei ist es des Öfteren zu brenzligen Situationen und auch zu Stürzen gekommen.“

Kaum Kontakt mit Anwohnern

Insgesamt sind rund 80 Hobbyschützen Mitglied in dem Plieninger Verein. Ihn gibt es seit 1926, unter den Nationalsozialisten wurde er aufgelöst. Nach der Wiedereröffnung 1983 wurde ein Jahr später mit dem Bau des unterirdischen Schützenhauses begonnen. Mit den umliegenden Vereinen sei man in gutem Kontakt, sagt Dietz: „Mit dem Kleintierzüchter-Verein veranstalten wir zum Beispiel gemeinsam die Himmelfahrts-Hocketse.“ In Bezug auf Anwohner seien ihm unterdessen „weder negative noch positive Verhältnisse“ bekannt, meint er.