In Stuttgart wird weit weniger Fläche für Bestattungen gebraucht, als in der Vergangenheit angenommen. Nun gibt es die Idee, dass auf Friedhöfen Wohnungen gebaut werden könnten.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Filder - Die Wohnungsknappheit gehört inzwischen zu Stuttgart wie der Fernsehturm. Kommunalpolitiker und Stadtverwaltung ringen um Lösungen. Das Problem: Die Stadt wächst schneller als ihr Wohnraum. 2015 gab es unter dem Strich in Stuttgart ein Plus von 1762 Wohnungen, 2016 von 1906 Wohnungen und 2017 von 2039 Wohnungen. Das reicht nicht. Zumindest leichte Entspannung könnte eine Idee bringen, die vor Kurzem publik wurde. Die Stadt bringt nun Flächen ins Spiel, die eigentlich für die Erweiterung von Friedhöfen vorgesehen waren. Das gilt auch für Plieningen und Möhringen.

 

Doch wie kommt die Stadt zu der Einschätzung, dass die ausgewählten Friedhöfe nicht so wachsen, wie ursprünglich prognostiziert? Wegen des Wandels in der Bestattungskultur ist die Platzreserve schlicht nicht mehr nötig. Laut Karola Ortsmann vom Friedhofsamt der Stadt entscheiden sich 70 Prozent für eine Urnenbestattung. Im Kommen sind zudem Alternativen wie Rasen- oder Baumgräber. All das ist platzsparender. Auch wenn die Gottesäcker in Zukunft nicht mehr stark wachsen können, werde jeder Plieninger noch ein Grab auf dem Plieninger Friedhof bekommen, und jeder Möhringer in Möhringen, sagt Karola Ortmann. Und selbst wenn sich die Dinge anders entwickeln, als aktuell angenommen, habe die Stadt noch Reserveflächen in der näheren Umgebung.

Der Friedhof in Stuttgart-Plieningen liegt geschickt

In Plieningen gibt es insgesamt 1429 Gräber. Davon sind knapp 200 frei. Im Jahr gibt es auf dem Friedhof in Plieningen durchschnittlich 50 Bestattungen. Die Erweiterungsfläche ist 4,5 Hektar groß, davon sollen zwei Hektar für den Wohnbau zur Verfügung gestellt werden. Auf die gesamte Erweiterungsfläche wolle man nicht verzichten, erklärt Karola Ortmann. „Die Fläche ist von der Lage her sehr gut“, sagt sie. Der Boden eigne sich für Begräbnisse, auch für Erdbestattungen, und der Friedhof sei geschickt zu erreichen.

Weniger positiv fällt indes die Bewertung für die Erweiterungsfläche des Friedhofs in Möhringen aus. „Das ist Hanglage“, sagt Karola Ortmann. Deshalb wären dort nur Urnenbestattungen möglich. „Die Erschließung wäre sehr teuer.“ Deshalb würde die Stadt auch hier zwei Hektar abgeben. Auf dem Friedhof in Möhringen befinden sich 4430 Grabstellen, 760 davon sind frei. Im Jahr gibt es durchschnittlich 180 Begräbnisse vor Ort.

Wird aus der Idee nun Wirklichkeit?

Einer, der die Entwicklungen zufrieden beobachtet, ist Carl-Christian Vetter. Der Plieninger sitzt für die CDU im Gemeinderat und hat das Thema im Frühsommer 2017 lanciert. Als Mittel gegen den Wohnraummangel. Damals ging es nur um den Friedhof in Plieningen. Die CDU-Fraktion habe die Verwaltung allerdings gebeten, die Friedhöfe in der ganzen Stadt unter die Lupe zu nehmen, berichtet Vetter. Während das manche anders sehen, für Vetter würde es sich dabei klar um Nachverdichtung handeln. „Es findet innerhalb des Ortsschilds statt“, sagt er.

War die Idee vor einem Jahr – vor allem im Kreise des Bezirksbeirats – noch eher auf Skepsis gestoßen, zeigt sich Vetter inzwischen „sehr optimistisch“. Ein wenig wird er sich aber noch gedulden müssen. Flächen umzuwidmen, „ist sehr aufwendig“, sagt Volker Schirner, der Leiter des Friedhofsamts.