Der Männergesangverein und Frauenchor Stuttgart-Rohr verliert seinen Dirigenten. Und es gibt noch mehr Probleme.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Rohr - Am Samstag schwingt Harald Spindler das letzte Mal den Taktstock für den Männergesangverein und Frauenchor Rohr. Der Dirigent wollte noch einmal etwas Neues wagen und hat eine Bäckerlehre absolviert. Nun will er eine Bäckerei in Kinshasa in der Demokratischen Republik Kongo eröffnen. Die Jahresfeier des Traditionsvereins ist sein Abschiedskonzert auf den Fildern.

 

Vielleicht ist es auch das Abschiedskonzert des Vereins selbst. „Wir stehen kurz vor der Auflösung“, sagt Klaus Trott. Er ist der Pressesprecher des Vereins und ergänzt: „Wir haben keinen neuen Dirigenten. Bisher haben wir auch noch keinen neuen gesucht.“ Im Februar kamen die Mitglieder des Männergesangvereins und Frauenchor Rohr zur Jahreshauptversammlung zusammen. Dabei ging es selbstverständlich auch um die Zukunft des Vereins. Die Sänger kamen überein, dass sie in der ersten Jahreshälfte 2018, in der ihnen Spindler noch als Dirigent zur Verfügung steht, erst einmal weitermachen wie bisher. In der zweiten Jahreshälfte wollen sie dann nach Möglichkeiten suchen, wie es weitergehen könnte.

Sänger nehmen Taktstock in die Hand

Fest steht, dass sich die Mitglieder vorerst auch künftig regelmäßig jeden Dienstagabend in der alten Rohrer Schule an der Egelhaafstraße treffen. „In unserem Verein geht es vor allem auch um die Geselligkeit. Wir wollen unseren sozialen Charakter nicht verlieren“, sagt Trott. Für manche sei die Chorprobe der Höhepunkt in der ganzen Woche, eben die Gelegenheit, mal wieder unter Leute zu kommen und zu schwatzen. Bei den Treffen soll natürlich auch gesungen werden. „Wir sind ein eingespieltes Team. Da kann auch mal jemand anderes den Taktstock schwingen“, sagt Klaus Trott. Doch um ein großes Konzert vorzubereiten, reiche das nicht aus. So etwas könne der Verein ohne einen Dirigenten nicht stemmen, sagt Trott und fügt hinzu: „Es kann also durchaus sein, dass das Konzert am Samstag unser letztes ist.“ Entschieden sei aber noch nichts.

Der Verein hat noch ein zweites Problem. „Wir sind völlig überaltert. Unser Altersdurchschnitt liegt bei knapp unter 80“, sagt Trott. Jüngere Sänger für den Chor zu begeistern, ist schwierig. Noch schwieriger ist es allerdings, jüngere Menschen für ein Amt zu gewinnen. Das wäre aber erforderlich. Denn der Vorstand will bei den nächsten Wahlen wohl nicht mehr kandidieren. „Und wir finden auch keinen neuen“, sagt der Pressesprecher.

Fünf Lehrer gründeten den Verein

Es ist nicht das erste Mal, dass der Verein vor dem Aus steht. Bereits im Februar 2011 rief der damalige stellvertretende Vorsitzende Wolfgang Krauß um Hilfe. „Wenn wir keine Sänger finden, um unsere Reihen aufzufüllen, müssen wir den Männerchor zum Jahresende dicht machen“, sagte er damals. Damals konnte eine Auflösung des Vereins abgewendet werden. Der Männergesangverein Kaltental allerdings löste sich im Sommer 2015 nach mehr als 140 Jahren auf. Er hatte zu wenige Mitglieder, um weiter existieren zu können. Einige Sänger wechselten danach zum Männergesangverein und Frauenchor Rohr, zu dem schon seit Langem enge Beziehungen bestanden. Allzu viele waren es aber nicht.

Der Männergesangverein Rohr ist der älteste Verein im Stadtbezirk Vaihingen. Im vergangenen Frühjahr feierte er sein 175-jähriges Bestehen. Gegründet worden war er 1842 von fünf Lehrern der Rohrer Schule. Seinen ersten Auftritt hatte er 1846 beim Sängerfest auf dem Cannstatter Wasen. 1953 kam zu dem bis dahin rein männlichen Verein der Frauenchor dazu. Aktuell hat der Verein knapp 40 Mitglieder, der überwiegende Teil ist weiblich.

Die Jahresfeier am Samstag, 14. April, beginnt um 19 Uhr in der Laurentiuskirche an der Reinbeckstraße 8. Nach dem Chorprogramm spielt Gerhard Fetzer mit seiner Band.