Die Stadt Stuttgart und damit indirekt die Bürger müssen für den Rückkauf des Wassernetzes wohl deutlich zahlen. Der Grund: die Einigung über den Wasserpreis.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Im Sprichwort ist ja immer von einem lachenden Dritten die Rede, doch in Wirklichkeit gibt es oft auch einen weinenden Dritten – und das sind im Fall des Stuttgarter Wassernetzes die Stadt Stuttgart und womöglich auch die Bürger. Die Stadt muss, wenn sie das Netz von der Energie Baden-Württemberg (EnBW) zurückkauft, wohl deutlich mehr Geld bezahlen als bisher geplant; im schlimmsten Fall könnte sich der Kaufpreis sogar um 50 Prozent erhöhen, heißt es aus unbestätigten Quellen. Bisher hat die Stadt der EnBW 139 Millionen Euro angeboten. Der höhere Kaufpreis würde letztlich über die Gebühren wieder von den Bürgern beglichen.

 

Die klare Verteuerung hängt mit dem jüngsten Vergleich zwischen der EnBW und der Landeskartellbehörde beim Wasserendpreis für die Stuttgarter Bürger zusammen. Die Sache hört sich kompliziert an, folgt aber eigentlich einem einfachen Mechanismus. Die Kartellbehörde hatte den Preis für das Trinkwasser in Stuttgart als zu hoch eingestuft und die EnBW aufgefordert, den Preis rückwirkend bis 2007 um 30 Prozent zu senken. Vor Kurzem kam es nun zum Vergleich: Die EnBW muss für zweieinhalb Jahre Geld an die Kunden zurückzahlen (etwa 200 Euro pro Haushalt), darf aber ihren jetzigen Preis von 2,56 Euro pro Kubikmeter belassen und bis 2020 sogar jährlich erhöhen.

Der Ertragswert ist ausschlaggebend für den Kaufpreis

Der springende Punkt ist nun: Der Kaufpreis für das Wassernetz, den die Stadt bezahlen muss, errechnet sich aus dem Ertragswert des Unternehmens – und bei der Kalkulation dieses Wertes spielt der aktuelle und künftige Trinkwasserpreis eine zentrale Rolle. Der zuständige Bürgermeister Michael Föll (CDU) bestätigte diese Konsequenz für die Stadt – aus dem Vergleich ergäben sich objektiv Lasten für die Stadt Stuttgart. Am Mittwoch sind die Gemeinderäte darüber informiert worden.

Hans-Jörg Groscurth, der Sprecher der EnBW, wollte sich nicht äußern. Der Zusammenhang habe immer auf der Hand gelegen; welche Folgen der Vergleich konkret für die Verkaufsverhandlungen habe, sei derzeit aber überhaupt nicht absehbar.

Frank Lorho, der Sprecher des Umweltministeriums, zu dem auch die Landeskartellbehörde gehört, verteidigte den Vergleich. Der aktuelle Trinkwasserpreis in Stuttgart sei für seine Behörde nun akzeptabel, weil die EnBW habe nachweisen können, dass vor allem der Beschaffungspreis für das Wasser in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen war. Dass der Vergleich Folgen für die Stadt habe, sei kein Kriterium bei den Gesprächen gewesen und hätte es auch nicht sein können.

Schon seit 2010 dauern die Verhandlungen mit der EnBW

Den Vorwurf, der bereits im politischen Raum zu hören war, das Land profitiere als Hauptaktionär der EnBW selbst auch von dem Vergleich und dem daraus resultierenden höheren Kaufpreis für die Stadt, wies Lorho zurück – das sei absurd. Die Eigentümerstruktur spiele für die Landeskartellbehörde bei ihren Entscheidungen keine Rolle. Wie wenig Rücksicht darauf genommen werde, könne man auch daran ersehen, dass die EnBW Ende 2014 wegen des Atomausstiegs gegen das Land geklagt habe. In einem zweiten Verfahren gegen die Energie Calw setzt die Kartellbehörde den gerichtlichen Weg fort, obwohl auch dort die EnBW Anteilseigner mit 49 Prozent ist.

Die Verhandlungen zwischen der EnBW und der Stadt Stuttgart über den Kauf des Wassernetzes sind nun jedenfalls eher schwieriger geworden – niemand wagt eine Prognose, wann eine Einigung möglich sei. Sollten die Gespräche nicht zu einem guten Ende führen, wird das derzeit ruhende Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart wieder aufgenommen. Manche Gemeinderäte schließen dies mittlerweile nicht mehr aus. Der Richter hatte im Dezember 2014 beide Parteien aufgefordert, auf der Basis des „subjektiven Ertragswertes“ neu über den Preis zu verhandeln. Der Gemeinderat hat bereits 2010 beschlossen, das Wassernetz wieder in kommunale Verantwortung zu übernehmen.

Stadt muss zuviel erhaltene EnBW-Abgabe zurückzahlen

Klar war schon vor der Einigung von EnBW und Kartellamt, dass die Senkung des Wasserpreises Auswirkungen auf die Konzessionsabgabe haben würde, die die EnBW jährlich an die Stadt überweisen muss – sie sinkt rückwirkend für die betreffenden zweieinhalb Jahre. Stuttgart muss also einen Betrag zurückzahlen und hat dafür Rückstellungen in Höhe von 67 Millionen Euro gebildet. Ob die gesamte Summe benötigt wird, ist noch nicht bekannt.

Positiv für die Stadt ist zumindest, dass sie als Abnehmer von rund 1,6 Millionen Kubikmeter Trinkwasser jährlich ebenso wie die Bürger mit einer Erstattung rechnen kann. Der Betrag müsste bei mehr als zwei Millionen Euro liegen.