Mit dem Juwelier Piel in Stuttgart-Sillenbuch schließt das letzte Schmuckgeschäft in einem großen Umkreis – oder auch nicht. Die Inhaber geben die Hoffnung nicht auf, dass sich doch noch ein Nachfolger findet.

Sillenbuch - Das neue Jahr beginnt im Juweliergeschäft Piel, wie das alte geendet ist: Es geht zu wie im Taubenschlag. Eine Seniorin möchte das Armband ihrer Uhr kürzen lassen, gleich mehrere Kunden brauchen neue Batterien, eine Frau kauft einen Anhänger in Engelchen-Form, die nächste zwei Perlen. Und wieder andere kommen nur, um ihr Bedauern auszudrücken. Das Bedauern darüber, dass das Geschäft schließen wird.

 

Seit Wochen schon verkündet ein Schild auf dem Gehweg an der Kirchheimer Straße, dass Uhren, Ketten, Ringe und anderes Kostbares rausmüssen. Nach aktuellem Stand wird am 28. Februar für immer abgesperrt. Nach fast 40 erfolgreichen Jahren in Sillenbuch.

Die Piels kennen ihre Kundschaft

Mit 76 und 81 Jahren sind Gudrun und Gunter Piel in einem Alter, in dem man getrost übers Füßehochlegen nachdenken darf. Dabei sagen beide: Eigentlich möchten sie noch etwas weiterarbeiten. „Man merkt ja, dass man gebraucht wird“, sagt Gunter Piel. Die meisten Kunden, die reinkommen, begrüßen er und seine Frau mit Namen. Handybilder und Smalltalk werden ausgetauscht. Man kennt sich. Dennoch denken die Piels viel übers Alter nach. Das Ehepaar betreibt den Verkaufsladen mit den ausgelagerten Werkstätten zum großen Teil allein. „Wenn einem was passiert in unserem süßen Alter, hängt der andere in den Seilen“, stellt Gunter Piel klar.

Frauen kommen rein, die weinen

Leicht macht sich das Ehepaar den Schritt nicht, trotz Sechs-Tage-Woche und wenig Urlaub, betont Gudrun Piel. Immer wieder bekommen sie und ihr Gatte glasige Augen. Auch den Stammkunden falle der Abschied schwer. „Das Zwischenmenschliche, das ist so stark. Es kommen Frauen rein, die weinen“, sagt der gelernte Betriebswirt mit Zusatzausbildungen in Steinkunde und als Uhrmacher und wischt sich über die Augen. Er will aber auch nicht verhehlen: „Online macht uns das Leben schwer.“ Der Einzelhandel tue sich schwer – branchenübergreifend. Im Haupteinzugsgebiet Birkach, Plieningen, Ostfildern, Frauenkopf und Hedelfingen gebe es mittlerweile keinen anderen Juwelier mehr, erklärt Gunter Piel.

Dennoch: Er und seine Frau Gudrun hoffen, dass sich doch noch ein Nachfolger mit den Vermietern einigt. Interessenten gebe es, wirtschaftliches Potenzial auch. „Da bin ich Sillenbucher. Sillenbuch braucht etwas mit Uhren, Schmuck und Service“, sagt Gunter Piel.

Außerdem bieten sich die Eheleute an, im Hintergrund noch eine Zeit lang mitzuarbeiten, um sowohl den Kunden, dem neuen Inhaber als auch sich selbst den Übergang leichter zu machen. Gunter Piel lächelt. „Ich hätte nichts gegen gewisse Aufgaben in der Branche.“