Das Millionenprojekt „Bürgerzentrum“ galt eigentlich als tot. Nun flackert das Herzensthema der Lokalpolitik von Stuttgart-Sillenbuch überraschend neu auf. Was ist passiert?

Sillenbuch - Keine Bitte, kein Wunsch. Nein, die Formulierung ist deutlicher. „Der Bezirksbeirat Sillenbuch fordert die Stadtverwaltung auf, die Realisierung eines Bürgerzentrums im Stadtbezirk an der ehemaligen Wendeschleife an der Haltestelle Schemppstraße voranzutreiben“, heißt es in einem Antrag, den sämtliche Fraktionssprecher unterschrieben und in ihrer Juli-Sitzung ins Rathaus geschickt haben.

 

Seit vielen Jahren geistert die Idee vom Multifunktionsbau am Ostfilderfriedhof durch Etatentwürfe – stets erfolglos. Jetzt aber gibt es unerwartete Schützenhilfe aus dem Gemeinderat. Die zuständigen Betreuungsstadträte haben die Kollegen aus dem Bezirksbeirat explizit ermuntert, das Thema abermals anzupacken – bei einem eigens dafür einberufenen Treffen.

Das Projekt soll nach der Sommerpause vorangetrieben werden

„Das ist so“, bestätigt Hans-Peter Ehrlich (SPD) auf Anfrage. Im Gemeinderat habe man sich darauf geeinigt, den Antrag der Sillenbucher Bezirksbeiräte „inhaltlich voll“ und vor allem interfraktionell zu übernehmen und alsbald bei der Stadtverwaltung einzureichen. Laut Hans-Peter Ehrlich soll das Ganze schon nach der Sommerpause passieren, damit das Projekt bereits in den kommenden Haushaltsberatungen im Frühjahr Niederschlag findet.

Die Sillenbucher sind begeistert. „Wir waren selbst überrascht, wie positiv die Resonanz war“, sagte Hendrik Wolff (CDU) in der Bezirksbeiratssitzung. „Wir sind guten Mutes, Schwung in das Thema zu bekommen“, betonte sein Fraktionskollege Philipp Kordowich. Die plötzliche Euphorie überrascht insofern, als dass das Bürgerzentrum bei den Vorberatungen zum aktuellen Doppelhaushalt aus den Reihen des Gemeinderats keinen Fürsprecher gefunden hatte.

Derzeit ruhen die Planungen

„In der Wunschliste der Verwaltung zu den Haushaltsberatungen 2018/2019 waren Mittel für die Planungen enthalten“, stellt der Verwaltungssprecher Martin Thronberens klar, „allerdings hat keine der Gemeinderatsfraktionen die Aufnahme in den Haushalt beantragt. Daher ruhen die Planungen.“ Und noch etwas überrascht: Die Sillenbucher fordern nun einen Komplex, der explizit vier Komponenten, nämlich Rathaus, Bibliothek, Bürgersaal und Feuerwehrmagazin, beinhaltet. „Aus Sicht des Bezirksbeirats sind alle Komponenten des Bürgerzentrums dringend notwendig“, heißt es im Antrag. Vor etwa einem Dreivierteljahr hatte es noch ganz andere Töne aus dem Bezirk gesetzt. Da hatte man sich im Gremium nämlich geschlossen für ein Gebäude ohne Feuerwehr ausgesprochen, weil man mit einer abgespeckten und dadurch günstigeren Variante – einst war von 14 Millionen Euro die Rede gewesen – größere Chancen gesehen hatte, nach vielen erfolglosen Jahren endlich einen Fuß in die Tür zu bekommen. Selbst der Bezirksvorsteher Peter-Alexander Schreck, ein glühender Verfechter des Bürgerzentrums, hatte sich zuletzt von der großen Lösung verabschiedet, um die Chancen zu erhöhen, dass das Projekt überhaupt irgendwann realisiert werden könnte.

Nun also die Rolle rückwärts von der Rolle vorwärts. „Wir wollen das ganze Paket“, betont der SPD-Stadtrat Hans-Peter Ehrlich. „Der Bedarf ist auf jeden Fall eindeutig“, sagt er. Zumal: Einen Entwurf gibt es ja. Die Pläne, die aus einem Architektenwettbewerb hervorgegangen waren, schlummern seit bald zehn Jahren in einer Rathaus-Schublade, und für eine Änderung bräuchte es einen neuen Beschluss. Hans-Peter Ehrlich und die anderen Stadträte wollen so lang offenbar nicht warten. Er sagt: „Man kann Bezug nehmen auf das, was schon da ist.“