Mit dem traditionellen Benefizkonzert in der Johanneskirche hat sich Dirigent Alexander Wassylenko vom Handharmonika-Spielring Zuffenhausen/Stammheim verabschiedet.

Stammheim - Eineinhalb Jahrzehnte an der Spitze eines Orchesters sind lange genug, um eine Ära zu prägen – und Alexander Wassylenko wäre gerne noch länger geblieben. Allein, die Wege, die der im Raum Tuttlingen lebende Musiker zu seinem Orchester zurückzulegen hatte, waren immer zeitaufwändiger und nervenaufreibender geworden. Nun hatte er genug von der Autobahn-Tortur. Zumal er in 15 Jahren mit 150 000 Stammheim-Kilometern mehr als nur einen halben Kleinwagen „heruntergefahren“ hatte. So stand das traditionelle Benefizkonzert in der Johanneskirche unterm Zeichen des Abschieds.

 

Davon war allerdings nur insofern etwas zu spüren, als sich die Musiker noch einmal ganz für ihren Dirigenten ins Zeug zu legen schienen. Hoch konzentriert folgten sie ihrem Noch-Dirigenten, ließen die Ensembles in orchestraler Pracht erblühen, in sensibel ausfächernden Gruppen oder im Dialog mit Einzelstimmen tönen. Dabei bewiesen sie nicht nur eine solide Pflege des Repertoires der guten, alten „Ziehharmonika“, sondern auch, wie sehr sie Alexander Wassylenko in ganz verschiedenen Stilrichtungen fit gemacht hatte.

Verein hat um den Dirigenten gekämpft

In seiner Würdigung schilderte dann Werner Schmidt, der Ehrenvorsitzende des Harmonikarings, noch einmal, wie aufwändig der Verein gesucht hatte, bis in Wassylenko „der Richtige“ für die Leitung der beiden Orchester gefunden war – und wie sehr der Verein um seinen neuen Dirigenten gekämpft hatte, als die Aufenthaltserlaubnis des Mannes aus Donez abgelaufen war. Wobei quälend lange keine Aussicht auf Verlängerung oder gar auf Umwandlung in eine dauerhafte Erlaubnis zu bestehen schien. Bis in ministeriale Ebenen hinein gingen die Bemühungen des Vereins, die schließlich zum Erfolg führten: Auftakt einer Ära, die nun zu Ende ging.

Dabei charakterisierte Schmidt den scheidenden Musiker mit einer Anekdote: Als er ihn zur ersten Probe wegen eines kaputten Autos von der Werkstatt abholte, gab sich der Neue unterwegs sehr wortkarg, was er so entschuldigte: „Ich muss mich auf meine Arbeit konzentrieren.“ In der Folge habe Wassylenko die Akkordeonisten „enorm weitergebracht“. Nicht zuletzt „mit Überzeugungskraft und pädagogischem Geschick, aber auch mit der Freude und dem Spaß am Musizieren, das er zu vermitteln wusste“, sagte Schmidt und ließ noch einmal Zahlen sprechen: In 15 Jahren hat Wassylenko in Stammheim 582 Probenabende abgehalten und dabei 350 neue Stücke eingeübt, was in 45 Konzerte unter seiner Stabführung mündete. Schmidt dankte Alexander Wassylenko „für die hervorragende Arbeit“ und versuchte, ihm dem Abschied mit einem schokoladigen Gebinde zu versüßen. Ein Akt, bei dem ringsum auch die eine oder andere nicht mehr unterdrückbare Träne zu wischen war. Lang und herzlich war so auch der Beifall in der gut besuchten Kirche.

Andrej Baumgard übernimmt den Dirigentenstab

Dann aber war Zeit für die Übergabe des Dirigentenstabes, der nun in den Händen von Andrej Baumgard liegt. Baumgard ist Absolvent der Moskauer Musikhochschule und des St. Petersburger Konservatoriums, wo er die Fächer Akkordeon, Klavier, Dirigieren und Pädagogik studiert hatte. Seit 1993 arbeitet er sehr erfolgreich als freischaffender Dirigent bei mehreren Vereinen in der Region. Baumgard ist ein überaus erfolgreicher Musikerzieher, wovon zahlreiche Preise seiner Schüler bei „Jugend musiziert” zeugen. Einige dieser Schüler studieren inzwischen Musik, andere haben bereits Musikhochschulen absolviert und gehen nun erfolgreich ihre Wege als Musiker. Wie ihr Lehrer, der neben seiner Tätigkeit als Dirigent auch als Solist und im Duett mit seiner Frau, der Pianistin Anna Baumgard, auftritt.

So wirkte es wie selbstverständlich, als Baumgard gleich ans Pult trat und mit dem 1. Orchester zusammen locker, energisch und beschwingt das erste Stück zu Gehör brachte: Happy Music von James Last, was das Auditorium nach dem Abschiedsakt wieder ganz und gar heiter stimmte.