Der VfB Stuttgart erfindet sich neu – es wurde auch langsam Zeit für die Zukunft. Doch es dürfte ein weiter Weg zu alter Stärke und neuem Glanz werden.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Man spricht wieder Schwäbisch. Der Präsident tut’s, der Trainer sowieso und der Manager, obwohl in Köln geboren, auch. Man kann also davon ausgehen, dass sich die hohen Herren beim VfB Stuttgart gut verstehen. Doch diese gemeinsame Basis bezieht sich nicht nur auf den Dialekt, sondern ebenso auf die Stoßrichtung, wenn es darum geht, den Fußball-Bundesligisten zwischen Tradition und Moderne auszurichten. Zwischen der regionalen Verankerung, die dem Clubboss Bernd Wahler so wichtig ist, und dem internationalen Anspruch, den der neue Chefcoach Alexander Zorniger und der Sportvorstand Robin Dutt gerne formulieren würden – irgendwann in der Zukunft.

 

Noch ist es für den VfB aber ein weiter Weg zu alter Stärke und neuem Glanz. Sportlich, weil er nach Jahren des Abstiegskampfes gut daran tut, erst einmal wieder im Mittelmaß der nationalen Liga anzukommen. Wirtschaftlich, weil der Verein zuletzt rote Zahlen geschrieben hat und sich noch immer auf Konsolidierungskurs befindet. Und strukturell-personell, weil sich der Vorstand erst vor Kurzem neu aufgestellt hat und nun dabei ist, die Organisationsebenen darunter zu reformieren.

Innere Transparenz und äußere Nachvollziehbarkeit

Vor allem geht es beim VfB abseits des Platzes aber darum, einen frischen Geist durch die Büros an der Mercedesstraße wehen zu lassen. Einen neuen Stil zu prägen, der nicht nur auf Folklore und der Vorliebe für den Brustring beruht, sondern auf innerer Transparenz und äußerer Nachvollziehbarkeit. Auf der Klarheit, dass der Sportvorstand Robin Dutt die finanzielle Lage genau kennt und weiß, wie viel Geld ihm der Finanzvorstand Stefan Heim für die Verstärkung des Teams gewährt. Auf der Überzeugung, dass jeder Angestellte dazu beiträgt, wie sich der VfB präsentiert.

Doch was für ein Unternehmen mit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz wie eine Selbstverständlichkeit klingt, ist es lange nicht gewesen. In der Vergangenheit bestimmten interne Grabenkämpfe nicht nur die Stimmung im Verein, sondern auch das Handeln. Über Jahre hinweg fühlten sich schon die früheren sportlichen Leiter Horst Heldt und Fredi Bobic von den Sparkommissaren Ulrich Ruf und Dieter Hundt gegängelt, weil sie ihrer Ansicht nach nicht genug in den Kader investieren durften.

Nun ist es Bernd Wahler mit sanftem Druck gelungen, den durchaus verdienten Finanzchef Ulrich Ruf hinauszukomplimentieren, und ohne den letzten Dino kann sich beim VfB niemand mehr hinter der Vergangenheit verstecken. Vor allem nicht die neue Geschäftsleitung – gerade weil sie aus altbekannten Köpfen besteht.

Schaffe, schaffe, Mannschaft baue

Nur Robin Dutt ist erst seit Jahresbeginn dabei. Weshalb sich die Anstrengungen des Managers auch erst in einigen Monaten beurteilen lassen – wenn klar wird, wie sich der überarbeitete Kader schlägt. Wenn deutlich wird, ob sich der unbekannte neue Trainer als Leitfigur profiliert. Wenn sich herauskristallisiert, ob es dem VfB gelingt, seinen Nachwuchs wieder so zu stärken, dass sich daraus ein Jungbrunnen für die Bundesliga ergibt, denn genau das sieht das Konzept vor. Ebenso wie eine verbindende Spielidee, die in der württembergischen Trainerschule ihren Ursprung hat und mit Mentalität, Emotionalität und Aktivität plakativ umschrieben wird.

Leidenschaftlich soll der Fußball sein, von nachhaltigem Erfolg und sogar identitätsstiftend für einen Verein, der gerade dabei ist, sich neu zu erfinden. Als eine Art VfB Schwaben AG, zu deren Gründungsmythos der 23. Mai 2015 in Paderborn zählen wird. Als die Stuttgarter schon abgestiegen waren und der Stürmer Daniel Ginczek das Tor zur Zukunft öffnete, denn jetzt kann der VfB mit der geplanten Ausgliederung der Profis um Investorenmillionen buhlen und gleichzeitig die schwäbischen Tugenden beherzigen: Fleiß, Bescheidenheit, Bodenständigkeit. Ganz nach dem Motto: Schaffe, schaffe, Mannschaft baue.