Stuttgart startet Kampagne Warum das Thema Einsamkeit Aufmerksamkeit verdient

Schloss Solitude – einst ein Symbol fürstlicher Abgeschiedenheit. Foto: jse

Einsamkeit ist ein Problem – seit der Pandemie noch mehr. Deshalb ist es richtig, dass dieses Thema in der Stadt verstärkt thematisiert wird, findet Lokalchef Jan Sellner

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

In Stuttgart nimmt die Einsamkeit einen herausragenden Platz ein. Bisher allerdings nur in Form eines historischen Gebäudes: gemeint ist Schloss Solitude, zwischen 1763 und 1769 im Auftrag von Herzog Carl Eugen gebaut. Der Begriff Solitude/Einsamkeit war da noch positiv besetzt. Er signalisierte fürstliche Abgeschiedenheit und Exklusivität. Heute herrschen rund um das beliebte Ausflugsziel pralles Leben und Vielstimmigkeit. Das Bild ist geprägt von Picknickern, Feierabendgenießern, Didgeridoo-Spielern, Shisha-Rauchern und, gerade jetzt im Frühling, von unendlich vielen Hochzeitspaaren, die aus dem Schloss Einsamkeit Schloss Zweisamkeit machen.

 

Niemand geht dort mehr hin, um Einsamkeit zu suchen. Sie stellt ja auch nicht einen Wert dar, sondern zunehmend ein Problem. Ihre Zwillingsschwester ist die Traurigkeit. Mit dem Alleinesein ist sie dagegen nur entfernt verwandt. Alexander Langenkamp vom Frankfurter Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik unterscheidet: „Einsamkeit ist eine negative Empfindung. Alleinesein ist ein körperlicher Zustand. Man kann umgeben von Menschen sein und sich einsam fühlen, man kann aber auch alleine sein und sich glücklich fühlen.“ Die Pandemie hat beides verstärkt – das Alleinesein und die Einsamkeit. Damit hat sich glücklicherweise auch die Aufmerksamkeit für dieses Tabuthema erhöht. Denn wenn die Einsamkeit zum Dauerzustand wird, wenn das Bemühen um soziale Ansprache ins Leere läuft, kann sie richtiggehend krank machen.

„Schwätzbänkle“ – eine von vielen Initiativen

Versuche, Brücken in die Einsamkeit zu schlagen, gibt es inzwischen viele. Großbritannien tut sich da besonders hervor. Menschen, die an Einsamkeit leiden, können dort vom Arzt ein Rezept für soziale Aktivitäten erhalten. Ebenfalls von der Insel stammt die Idee, Sitzbänke aufzustellen, die zum Gespräch einladen. Der Landesseniorenrat hat das aufgegriffen und daraus „Schwätzbänkle“ gemacht. In Esslingen hat man sich dem angeschlossen.

Der Katholikentag wird sich ebenfalls damit befassen

Auch in Stuttgart wurde das Thema schon öffentlich benannt. Der junge OB-Bewerber Marian Schreier setzte es 2020 unter dem Eindruck der Coronapandemie auf die Agenda: „Stuttgart sollte hier eine Vorreiterrolle einnehmen und eine kommunale Strategie zur Bekämpfung von Einsamkeit starten“, forderte er. Genau das tut die Stadt jetzt. Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann kündigte jüngst eine Kampagne zum Einsamkeitsproblem an. Auch der Katholikentag in Stuttgart will dem Thema Raum geben. Man wird in nächster Zeit also noch öfter von Einsamkeit hören. Das bietet die Chance, dann auch darüber zu sprechen.

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