Bei der Theatergruppe „Die Maßschneiderei“ wird kein Text gelernt und kein Regisseur sagt, was zu tun ist: Alles ensteht spontan. Die Ideen für die Szenen kommen aus dem Publikum.

Lokales: Sybille Neth (sne)

S-Süd - Leicht machen es sich die Akteure des Improvisationstheaters „Die Maßschneiderei“ wirklich nicht: Wie lässt sich ein Expertengespräch über eine Sonnenschere führen? Die Idee für den Fantasiegegenstand kam aus dem Publikum im Gebrüder-Schmid-Zentrum. Dort hat die Maßschneiderei jüngst bei ihrer Improvisations-Show gezeigt, was sie drauf hat: Schlagfertigkeit, Fantasie, Sprachwitz und Freude am Theaterspielen. Dabei hat das Publikum den Maßschneidern nichts geschenkt. Bei ihren Vorschlägen wollten sich die Zuschauer an Absurdität geradezu überbieten. Doch die spontanen Schauspieler ließen sich nicht lumpen und setzten jede Idee um.

 

Wortspiel bei der Namensgebung

Nichts ist hier vorbereitet, kein Dialog ist geübt und es gibt keine Regie. Allein das Format der jeweiligen Episode ist vorher festgelegt, so wie beispielsweise das Expertengespräch für die Radiosendung „Bier mit Vier“. Die Frage, ob der gemimte Fachmann nur versehentlich über das falsche Thema geredet hat oder ob das ein zusätzlicher Gag war, musste sich das Publikum jeweils selber beantworten.

Denn bei den Maßschneidern dürfen die Dinge schon mal aus dem Ruder laufen. Wann Schluss ist mit einer Episode, gibt der Spielmoderator vor und klatscht die jeweilige Szene nach fünf bis zehn Minuten ab – je nachdem, ob sich die Schauspieler schwer tun oder, ob die Ideen nur so sprudeln. In jedem Fall gilt: The Show must go on. Daher wendet sich Moderator Uwe Gühl sofort erneut an die Zuschauer, um Stoff für die nächste Geschichte zu kriegen, zum Beispiel mit der Frage: „Wie könnte der Verein heißen, in den sie hundertprozentig nie eintreten werden?“ Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: „Verein der nicht lachenden Menschen“, schallt es aus den Stuhlreihen zurück. Und schon beschäftigen sich die drei Schauspieler auf der Bühne damit, wie sie dem „Lachzwang in der Gesellschaft“ ein Ende setzen könnten. Einem aus dem Verein glückt die Miesepetrigkeit nicht perfekt. Immer wieder bricht Fröhlichkeit aus ihm heraus: Da helfen nur nur die fiktiven Anti-Lachtabletten.

Feines Gespür für Absonderliches

Schon mit der Wahl des Namens „Die Maßschneiderei – alles was anzieht“ für die freie Gruppe haben die Spielbegeisterten um den Theaterpädagogen Uwe Gühl Sprachwitz bewiesen: „Unsere Kostüme sind Persönlichkeitsmerkmale, die wir jedem anschneidern“, umreißt er das Konzept. Je nach Thematik wird den Figuren ein Tick oder eine Phobie übergestülpt – wie ein Kleidungsstück.

Die Gruppe gibt es bereits seit über zehn Jahren. Immer im Frühling präsentiert sie im Mehrgenerationenhaus Gebrüder-Schmid-Zentrum die neue Frühjahrskollektion, wie Gühl es nennt. Deshalb steht am Bühnenrand eine Schneiderpuppe, die ein luftiges Sommerkleidchen trägt. „Der Auftritt im Mehrgenerationenhaus ist ein kleines Dankeschön dafür, dass wir hier das ganze Jahr über proben dürfen“, sagt Gühl. Normalerweise spielen die neun Akteure – darunter eine ausgebildete Schauspielerin, ein Regisseur und ein Medienpädagoge – auf Firmenevents und sorgen mit feinem Gespür für das Absonderliche für Lachsalven. Eine Zeit lang leitete Gühl eine Partnervermittlung der besonderen Art: Improvisationstheater für Singles und einige haben sich dabei gefunden, weiß er.