Entlang der Böblinger Straße finden sicjh noch eine Reihe alteingesessener Läden und Betriebe, von denen wir in einer Serie einige besuchen – heute die Reinsch Karosserie-Reparaturen GmbH.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-Süd - Dass er seinen Beruf liebt, dass er sich darüber leidenschaftlich ereifern und daran erfreuen kann, würde man nicht gleich vermuten. Peter Reinsch ist das personifizierte schwäbisches Understatement, und bruddeln tut er auch gern. Die Werkstatt sei zu eng, zu nieder, vom Zuschnitt her eigentlich völlig ungeeignet. Sein Beruf werde kaum mehr nachgefragt und überhaupt hätte er ihn gar nicht ergriffen, hätte ihn sein Vater nicht „hindirigiert“. Der Karosseriebau, die komplette Branche, hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend verändert. „Wenn ich das vorher gewusst hätte!“

 

Reinsch hat gerade ein Opel-Astra-Cabrio aufgebockt, bordeauxrot, 18 Jahre alt. Nicht gerade ein Paradestück, eher ein runtergerockter Gebrauchsgegenstand. Das Auto schwebt hüfthoch auf der Hebebühne, untenrum verläuft ein zackiger Saum aus Rost. Reinsch löst ganze Schollen heraus, ganz leicht geht das. Auf einer Werkbank formt er neue Stücke und schweißt sie an. Andere Stellen klopft er gerade. „Die Figur muss stimmen.“

Die kleinen freien Werkstätten sterben aus

Die Reinsch Karosserie-Reparaturen GmbH ist eine One-Man-Show. Nach den handwerklichen Fertigkeiten, die der Meisterbetrieb offeriert, wird nicht mehr so häufig verlangt. Das liegt an den Autos, deren Karosserien längst nicht mehr aus so dicken Blechen wie dieser Opel Astra gefertigt werden. Schweißen und Hämmern verbieten sich bei den dünnen, hochfesten Blechen. „Aus einem Stück Blech ein Teil anzufertigen, wie ich das gelernt habe, das gibt es nicht mehr.“ Beule werden nur noch zurecht gedrückt oder gezupft, indem man winzige Ösen auflötet, an denen das verbeulte Blech wieder sachte zurecht gezogen wird. „Und alles exakt nach Herstellervorgaben“, sonst machten die Versicherungen Probleme. Für diese filigranen Arbeiten brauche es wiederum spezielle Werkzeuge, die ihrerseits strengen Richtlinien genügen müssten.

Aber meist würden heute ganze Kotflügel, Heckklappen Türen ausgewechselt. „Die Teile kommen schon fertig lackiert an“, sagt Reinsch. Ein Problem für die kleinen Werkstätte ist auch die inzwischen gängige Schadenssteuerung der Versicherer: Diese verlangen vom Kunde, dass er eine Vertragswerkstatt aufsucht. Leasingwagen wandern ebenfalls in die Werkstätten der Hersteller. Auch das Geschäft mit Jahreswagen ist verebbt, seit die Bundesregierung vor Jahren die Steuerbefreiung für Neuwagen kassiert hat. „Meine Prognose: Der Rest an kleinen Werkstätten wird in den nächsten Jahren auch noch vollends verschwinden.“

Der 63-Jährige selbst setzt auf treue Kundschaft. „Manche sind schon länger Kunden als ich da bin. Die sind über 90 Jahre alt, fahren noch und bleiben gern mal mit dem Auto wo hängen. Normal macht der Deutsche im Durchschnitt ja bloß alle elf Jahre was am Auto kaputt.“ Ältere Fahrer seien eine dankbarere Klientel. Vor ihm hatte sein Vater Alfred Reinsch die Werkstatt. Er war eher unversehens in den Job geschlittert. Während der Kriegsgefangenschaft in Nizza hatte Alfred Reinsch Bernhard Kortmann kennen gelernt. Nach dem Krieg konnte Reinsch nicht mehr in seine alte Heimat Schlesien zurück. Da nahm ihn Kamerad Kortmann mit nach Stuttgart und stellte ihn in seinem Karosseriebau-Betrieb an. Sie hätten damals hauptsächlich Motorroller repariert, so Peter Reinsch. „Den sogenannten Volkswagen konnte sich ja die wenigsten leisten.“ 1975 übernahm Alfred Reinsch den Betrieb. Ende der 1970er Jahre machte der Sohn seinen Meister, stieg in den Betrieb ein, übernahm ihn 1991.

Früher hat man nicht alles weggeschmissen

In der Gegend habe es mal zahlreiche Werkstätten und Autohändler gegeben, erinnert sich Reinsch und murmelt ein paar Namen hin: „Kleinhans, Möckle, Beck, Soller, Erlewein, Schott.“ Bis auf ihn und die Autowerkstatt von Zeljko Spanic vis à vis seien alle verschwunden. Die Ursachen für das Verschwinden kleiner freier Betriebe seien zwar vielfältiger Natur. Aber Reinsch erblickt darin auch den Ausdruck einer gewandelten Mentalität, den er auf die Formel bringt: „Früher hat man nicht alles gleich weggeschmissen.“ Reparieren bedeutet für ihn nicht bloß Wertschätzung von Dingen, sondern vor allem auch die Fähigkeit, Probleme zu lösen mit Grips und Geschick.

In den großen Werkstätten sei sein Beruf heute wenig attraktiv: „Die stehen den ganzen Tag in der Kabine und spritzen die Endlackierung. Was für ein Scheißjob.“ Reinsch hingegen wird immer wieder gefordert, wenn etwa ein Wagen von unvertrautem Fabrikat in der Werkstatt steht. Dann muss er Unterlagen ranschaffen, Fachleute befragen, sich reinfuchsen. Solche Aufträge kosten Reinsch unverhältnismäßig viel Zeit, Mühe und Nerven. Und sie sind offenbar genau jene intellektuelle Herausforderung, die Reinsch über die trüberen Momente hinwegtragen.