Zum Weltfrauentag gewährte das Festival Femme fa Tango Einblick in argentinische Tanzkunst. Männer bekamen ihre eigene Tanzveranstaltung, und am Abend traf man sich dann die Gruppen beim Milonga, das Gelernte auf dem Tanzboden auszuprobieren.

Stuttgart-Süd - Ihr müsst euch vorstellen, dass ihr euch in Honig bewegt. Oder im Wasser. Nicht in der Luft“, versucht Liane Schieferstein das Körpergefühl in Worte zu fassen, dass sie ihren Kursteilnehmerinnen vermitteln möchte. In ihrem Workshop am Samstagnachmittag geht es der Tango-Lehrerin um Zug und Druck, um das Wechselspiel der Kräfte, dass sich beim Tanz entwickelt: Die Übungen, behutsame Versuche, den Partner zu lenken oder ihm zu folgen, zeigen, wie sehr es beim populären argentinischen Tanz auf Feinheiten ankommt. Der Mann mit dem verwegenen Hut und der Rose zwischen den Zähnen, der die Dame herumschleudert sei ein Klischee.

 

Kommunikation zwischen den Tanzenden

Im Cielo an der Dornhaldenstraße hätte er am Wochenende sowieso Hausverbot. Das Femme faTango Festival richtete sich speziell an Tänzerinnen. „Ich habe Frauen in der Tangoszene immer vor allem als Konkurrentinnen um Tänzer erlebt“, blickt Schieferstein zurück. „Die meisten Bekanntschaften bestehen zwischen Männern und Frauen, weil sie eben auch gemeinsam tanzen. Ich fand es aber wichtig, einen Rahmen zu schaffen, in dem sich auch die Tänzerinnen untereinander kennenlernen können.“

Als die studierte Romanistin und Politologin das Festival ins Leben rief, hatte sie die Hoffnung, eine andere Tanzschule würde mit einem Pendant für Männer nachziehen. Das sei dann leider doch nicht passiert, stellt sie fest. So passte sie ihr Konzept an. Die vierte Auflage des Workshop- und Tanzwochenendes umfasst auch Angebote für den Herrn. Während die sieben Damen im Cielo die Nuancen zwischen Sog und Druck ausloten, üben die Herren im Lalotango an der Böblingerstraße unter dem Motto Homme faTango eifrig Schrittfolgen.

„Ihr müsst das explizit sauber austanzen“, mahnt Benedikt Krappmann. Andernfalls könnte es zu Missverständnissen kommen. „Alles, was in der Kommunikation zwischen den Tanzenden schief geht, wird sofort offenbar“, erklärt Liane Schieferstein. Tango habe viel mit Aufmerksamkeit zu tun. Für sich selbst und für den Anderen. Sie vergleicht die Interaktion der Tänzer mit einer Unterhaltung. Je nach Stimmung werde es eher philosophisch ausfallen oder scherzhaft. Es gebe eine Art Tango-Grammatik, die den Rahmen für immer neue Variationen bilde.

Hohe Absätze sind ein anatomisches Muss

Das Tango-Café, ein kleiner Kleidermarkt im Cielo, lädt derweil zum Plausch ein. Etwa über Schuhe. Maryline Delmas hat eine Auswahl an Modellen aus ihrer Tanzboutique in Heidelberg mitgebracht. Seufzend sitzt eine Kundin vor fünf Paaren, die alle passen. „Ich habe meinen Kindern versprochen, dass ich nur eine Stunde wegbleibe“, sagt sie. Das wird eng. Dass die Schuhe höhere Absätze haben, hat nicht nur modische Gründe, wie Delmas erläutert. Sie unterstützten die dem Tanzpartner zugewandte Haltung. „Diese Grundspannung rein aus dem Körper heraus zu erzeugen, wäre viel anstrengender, als in höheren Schuhen zu tanzen“, ergänzt Schieferstein.

„Jetzt den Wechselschritt doppelt so schnell“, fordert Benedikt Krappmann und schnippt im Takt der Musik. Die Aufnahme klingt nach Grammofon. Tango-Orchester aus den 30er- und 40er-Jahren erfreuen sich in der Szene größter Beliebtheit. Die Männer im Lalotango sind konzentriert bei der Sache. Auf Gelegenheit, die neuen Anregungen im Rahmen eines Tangoabends umzusetzen, mussten sie nicht lange warten: Ab 21 Uhr fand im Cielo eine Milonga mit Live-Musik statt, die Tänzerinnen und Tänzer vereint. „Der Moment, in dem sich die Gruppen nach den Workshops des Tages begegnen, ist etwas ganz Besonderes“, sagt Schieferstein. „Da knistert es dann richtig.“