An der Universität Hohenheim können Studierende bereits im Grundstudium echte Forschung betreiben. Doch Bund und Land lehnen eine Weiterfinanzierung des Vorzeigeprojekts Humboldt reloaded ab. Doch damit will sich die Uni nicht abfinden.

Stuttgart - Katrin Stökle ist eine Teilnehmerin der ersten Stunde gewesen: Beim studentischen Reformprojekt Humboldt reloaded hatte sie bereits im Grundstudium an der Uni Hohenheim erlebt, was Forschung bedeutet. Und Blut geleckt. Jetzt untersucht sie als Doktorandin im Fachgebiet Konversionstechnologien nachwachsender Rohstoffe, wie man aus Chicoreewurzeln einen Nutzen ziehen kann – und betreut bei Humboldt reloaded selbst Studierende. Julia Franz zum Beispiel. Die Studentin der Agrarbiologie im dritten Semester ist begeistert davon, dass sie sich ganz praktisch selber reinfuchsen kann in die Umwandlung von Biomasse zu einem kohlenstoffreichen Endprodukt. Gesichtsmasken etwa. Oder Brennstoff. Das sei eben gerade „kein Nachkochen wie in Praktika“.

 

Genau das ist auch das Besondere von Humboldt reloaded. Seit dem Start des Projekts im Jahr 2011 haben insgesamt 4300 Studierende von den fakultätsübergreifenden Forschungsprojekten in Kleingruppen profitiert – auch die Präsentation der Forschungsergebnisse auf einer Konferenz gehört dazu. „Die Hälfte der Bachelorstudierenden macht das freiwillig“, sagt Martin Blum, Zoologieprofessor und Initiator des Projekts. Und bringe messbar früher gute Leistungen. „Wir identifizieren uns damit, dass wir Humboldt reloaded als Programm anbieten – ergänzend zur Massenbespaßung.“ Ein Kernteam von 35 Wissenschaftlern ermögliche dies.

Für ihr Projekt fehlen der Uni Hohenheim 1,8 Millionen Euro im Jahr

Doch nun droht dem Vorzeigeprojekt das Aus. „Der Bund wird diese Finanzierung nicht fortsetzen“, bedauert Rektor Stephan Dabbert. „Und das Land sagt Nein.“ Ein solches Projekt sei „in der Grundfinanzierung nicht vorgesehen“. Eine Alternative sei jedoch schwierig. „Ich werde 1,8 Millionen Euro pro Jahr nicht abzweigen können“, erklärt Dabbert. „Da muss das Land noch mal nachlegen, wenigstens als temporäre Finanzierung für fünf Jahre.“

Andernfalls müsse man überlegen, wie man durch Einsparungen an vielen kleinen Stellen ein Notprogramm Humboldt reloaded hinbekomme. Etwa indem man den WLAN-Ausbau stoppe, die Öffnungszeiten der Bibliothek verkürze oder weniger Tutorien anbiete.

Doch zwei Wochen die Hochschule dichtmachen, um Heizkosten zu sparen? Das lehnt der Rektor strikt ab. Auch den Reinigungsturnus der Toiletten könne man kaum von zweimal auf einmal pro Woche reduzieren, findet Dabbert. „Wir können nicht am Alltag sparen. Eigentlich müssten wir viel mehr tun.“ Etwa für Digitalisierung, also die Nutzung digitaler Medien in der Lehre, oder den Ausbau eines Dokumenten-Managementsystems in der Verwaltung. Aber für all das fehle das Geld. „Wir haben ein Drittel weniger Geld pro Studierendem als vor 20 Jahren“, kritisiert Dabbert. In den Verhandlungen mit dem Land zeichne sich keine Entspannung ab. Statt der von den neun Landesunis errechneten 172 Millionen Euro seien acht Millionen übrig geblieben. Für neun Unis.

Teilnehmerin: Man lernt auch, mit Rückschlägen umzugehen

Auch Nina Nowak, Studentin der Ernährungswissenschaft im fünften Semester, ist bewusst, dass sie vielleicht eine der letzten Teilnehmer von Humboldt reloaded ist. Sie erforscht im Rahmen einer bundesweiten Studie anhand echter Probandenproben, ob Ernährung und Bewegung das Risiko von Brustkrebs bei vorbelasteten Frauen senken kann. Die intensive Forschungsarbeit habe nicht nur ihr Selbstvertrauen gestärkt. „Man lernt auch, mit Rückschlägen umzugehen“, sagt sie.

Doch das heißt nicht, dass sich Studierende und Uniangehörige alles bieten lassen. „Wir werden am 30. Oktober noch mal dafür auf die Straße gehen“, kündigt Dabbert an. Die Demo in Stuttgart beginnt um 11 Uhr in der Keplerstraße.