Den Lokalpolitikern ist die offizielle Sitzung des Bezirksbeirats zu wenig. Sie wollen im Vorfeld die Meinung der Bürger wissen. Nicht zur Ansiedlung des Versicherungskonzerns allgemein – denn die ist bekannt – sondern konkret zum Preisgericht.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Vaihingen - Das Dortmunder Büro Gerber Architekten plant die neue Allianz-Zentrale an der Heßbrühlstraße in Stuttgart-Vaihingen. Das hat die 16-köpfige Jury am 21. Juli einstimmig entschieden. In der ersten Sitzung nach der Sommerpause, am 19. September, stellen die Stadtverwaltung und die Allianz den Entwurf auch im Vaihinger Bezirksbeirat vor. Den Mitgliedern des Gremiums ist das zu wenig. Eine Mehrheit möchte, dass es zuvor eine Bürgerinformation gibt.

 

Denn in einer offiziellen Bezirksbeiratssitzung dürfen die Zuhörer nicht diskutieren. Sie haben lediglich die Möglichkeit, beim ersten Tagesordnungspunkt, den fünf Minuten für die Bürger, ihr Anliegen hervorzubringen. Das Thema Allianz aber ist aus Sicht der Lokalpolitiker so wichtig, dass das nicht reicht. „Wir wollen mit den Vaihingern ins Gespräch kommen, mit ihnen diskutieren, um ihre Meinung dann in der offiziellen Sitzung des Bezirksbeirats einspeisen zu können“, sagt Ulrich Bayer, der Sprecher der CDU. Die Grünen, die FDP und die Freien Wähler unterstützen den Antrag. Und Bayer geht davon aus, dass auch die anderen Fraktionen im Gremium diesen nicht ablehnen.

Bezirksbeiräte wollen zur Not selbst moderieren

Christa Tast, die Sprecherin der Grünen im Vaihinger Bezirksbeirat, hält die Infoveranstaltung für eine gute Idee. „Die Bürger sollen ein Mitspracherecht bekommen und Informationen darüber, was auf sie zukommt. Sie sollen die Möglichkeit bekommen, ihre Kritik oder auch ihre Komplimente loszuwerden“, sagt Tast. Das gehöre für sie zur Basisdemokratie dazu. Die Ansiedlung der Allianz sei etwas Besonderes, weil dafür eine Grünfläche geopfert werde. „Wir Vaihinger Grünen verstehen nach wie vor nicht, warum eine grüne Rathausspitze so etwas mit sich machen lässt“, sagt Tast. Bayer hingegen betont, dass es bei dem Informationsabend nicht um die Ansiedlung der Allianz in Vaihingen an sich gehen soll, sondern explizit um das Preisgericht und den Siegerentwurf, den er im Übrigen „sehr gelungen“ finde.

Eyüp Ölcer (Freie Wähler) sieht es ähnlich: „Die Bürger sollen mitreden können. Sie kennen sich vor Ort am besten aus, und diese Sachkenntnis und Erfahrung sollen sie einbringen“, sagt er. Es gehe um mehr Mitbestimmung und darum, die Menschen ernst zu nehmen, so Ölcer. Volker Weil (FDP) ergänzt: „Das Thema würde eine normale Bezirksbeiratssitzung sprengen.“ Er sieht die Infoveranstaltung auch als eine Chance für die Allianz, die so ihr Projekt in der Breite vorstellen und dabei die Bürger mitnehmen könne.

Inzwischen zeichnet sich ab, dass es am 12. September eine Infoveranstaltung gibt. Das wäre ein Dienstag, und dienstagabends ist die Kelter ohnehin grundsätzlich für den Bezirksbeirat reserviert. Der Termin sei also theoretisch möglich, sagt der Vaihinger Bezirksvorsteher Wolfgang Meinhardt. Ein Vertreter der Stadtverwaltung werde aber wahrscheinlich nicht kommen. Ob er an dem Abend die Moderation übernimmt, lässt Meinhardt noch offen. Ulrich Bayer sagt, zur Not könne auch der Bezirksbeirat selbst die Sitzung leiten und protokollieren. „Da finden wir intern sicher eine Lösung“, sagt der CDU-Mann.

Allianz will auch das Modell in Vaihingen zeigen

Die Allianz steht einem Infoabend aufgeschlossen gegenüber. „Ein Vertreter des Unternehmens wird dabei sein“, sagt die Pressesprecherin Anna Sleegers und ergänzt: „Für Vaihingen ist die Ansiedlung eine große Veränderung. Die Bürger sollen sich ihr eigenes Bild von dem Entwurf machen können. Denn wir finden, dass dieser sehr schön geworden ist.“ Die Allianz möchte gern auch das Modell in Vaihingen zeigen. „Ein großer Pluspunkt des Entwurfs ist die Tatsache, dass er sich gut in die Umgebung einfügt.“ Dieser städtebauliche Kontext werde bei dem Modell deutlicher als bei den Visualisierungen. „Die Vaihinger sollen sich den Neubau im Kontext ihres Stadtbezirks vorstellen können“, sagt die Pressesprecherin.

Der Siegerentwurf des Dortmunder Planungsbüros Gerber Architekten sieht einen Hauptkomplex aus drei Gebäuden vor, die durch eine zweigeschossige Plaza verbunden sind. Außerdem gibt es zwei Satellitengebäude. Dazwischen werden öffentliche Wege verlaufen. Unterirdisch planen die Architekten noch mehr Verbindungswege für die Mitarbeiter. Aus dem Hauptkomplex wird ein Hochhaus an der Heßbrühlstraße mit 16 oberirdischen Etagen und einer Höhe von etwa 60 Metern herausragen. Das sind sieben Meter weniger als bei dem in der Nachbarschaft stehenden Colorado-Hochhaus. Die alte Eiche bleibt. Die Vaihinger hatten schon im Vorfeld immer wieder deutlich gemacht, dass ihnen der Baum wichtig ist. Neben der Eiche entsteht ein Platz, von dem aus Mitarbeiter und Gäste den Haupteingang erreichen. Unter dem Platz entsteht eine neue Sporthalle. Über dem verdolten Schwarzbach wird ein Grünstreifen mit 40 Meter Breite angelegt. Auch darauf hatten die Vaihinger im Vorfeld großen Wert gelegt.

Die alte Eiche soll stehen bleiben

Auf den etwa 100 000 Quadratmetern Geschossfläche über der Erde werden die Büros für die rund 4500 Mitarbeiter von 20 Einzelgesellschaften des Konzerns angesiedelt, die aus der Innenstadt hierher ziehen. Es sind vor allem die Mitarbeiter von Allianz Leben und Allianz-Sachversicherungen. Auf rund 70 000 Quadratmetern Geschossfläche unter der Erde entstehen gastronomische Räume, Konferenzräume und 1500 Parkplätze. Die Allianz rechnet 2022 mit dem Umzug.