Die Bundesstraße vor den Toren Stuttgart-Degerlochs wurde nicht ohne Widerstand gebaut. Vor allem der Sonnenberg-Verein hat sich dagegen gewehrt. Denn die Bürger dort verbanden mit der neuen Straße eine große Sorge.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Degerloch/Sonnenberg - Die Klagen scheiterten. Bis vor den Verwaltungsgerichtshof in Mannheim sind ihr Vater und die anderen gezogen, erzählt Helga Wacker. Sie selbst war Ende 30, als ihr Vater Friedrich Wacker in den 60er Jahren versucht hat, die Bundesstraße vor den Toren Degerlochs zu verhindern. „Ich war natürlich involviert und habe das voll unterstützt“, sagt die 88-Jährige. Friedrich Wacker war damals der Vorsitzende des Sonnenberg-Vereins. Und zusammen mit anderen wollte er die Straße abwenden.

 

Helga Wacker lebt in ihrem Elternhaus an der Lohbauerstraße. Bei Ostwind hört sie die B 27 rauschen. Doch der Geräuschpegel „war damals nicht das Problem“, sagt sie. „Das Problem war die B 27A“, der Zubringer nach Sonnenberg, der im Zuge des B-27-Baus in die Landschaft asphaltiert werden sollte. „Es ging um die Trennung unseres Stadtteils“, erzählt Helga Wacker. „Und diese Trennung erleben wir ja jetzt seit 50 Jahren.“ Schlicht, weil die Peregrinastraße Sonnenberg spaltet. In Transperegrinien, wie die Einheimischen die Gegend um Kieß- und Güntherstraße nennen, und das restliche Sonnenberg.

Die Degerlocher versprachen sich Entlastung

128 Kläger versuchten Ende der 60er Jahre, dem Straßenbauprojekt ein Ende zu setzen. Auch in Degerloch soll es eine Gruppe von Menschen gegeben haben, die sich dagegen engagierten, doch die meisten Degerlocher dürften sich auf die Straße gefreut haben. War sie doch die Hoffnung auf Verkehrsentlastung im Ortskern Degerlochs. Quälte sich der Pendlerverkehr zwischen Tübingen und Stuttgart bisher vor allem durch die Alb- und Epplestraße, sollte die neue Bundesstraße Erleichterung bringen.

Doch der Bau der B 27 musste unterbrochen werden, weil Bürger – vor allem aus Sonnenberg – klagten, war zunächst auf Höhe der Sigmaringer Straße Schluss. Bei Bürgerversammlungen und in den Sitzungen der politischen Gremien versuchten Vertreter der Stadt, die Kläger umzustimmen. Letztlich urteilte der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim 1967 für den Straßenbau. Die Straße wurde im Herbst 1970 eröffnet.

Nach aktuellen Verkehrsschätzungen sind – beide Fahrtrichtungen zusammengenommen – aktuell durchschnittlich rund 60 000 Fahrzeuge zwischen der Abfahrt SI-Centrum und der Peregrinastraße unterwegs, zwischen Peregrinastraße und Albplatz sind es dann noch 46 000 Autos.

Als Junge hat Schmid auf der Löffelstraße Fußball gespielt

Dieter O. Schmid hatte noch nie etwas gegen die Bundesstraße vor den Toren seines Heimatorts. Dabei hat die Familie des Degerlochers die Veränderung hautnah erlebt. Die Schmids wo hnten an der Löffelstraße, die sich in eine vierspurige Stadtautobahn verwandeln sollte. Schmid erinnert sich noch daran, wie er als Kind auf der Löffelstraße Fußball gespielt hatte. „Das waren gemütliche Straßen“, sagt der 74-Jährige. „Ich will jetzt aber nicht erzählen mit Tränen in den Augen.“ Der Straßenbau war nötig, also wurde gebaut. So sieht Schmid das. „Meine Eltern haben damit gelebt.“ Nicht mehr ganz einfach war es allerdings, aus der Garage zu stoßen. „Da musstest du die Zähne zusammenbeißen.“ Das Garagenhäuschen steht noch nahe dem Abzweig in die Rubensstraße.

Nach Friedrich Wacker ist eine Brücke benannt

Im Verlauf ihrer ersten 20 Jahre brachte die Straße aber durchaus Probleme für den Stadtbezirk. Die Verkehrsdichte schwall an, weshalb sich Pendler, die nicht auf der B 27 im Stau stehen wollten, Schleichwege durch Degerloch suchten. Die Blechkolonnen kehrten zurück auf Alb- und Epplestraße. Dieter O. Schmid war damals einer derjenigen, die dagegen kämpften, dass die Stadt die Albstraße auf vier Spuren ausbaut.

Ihr Vater ist zwei Jahr vor der Eröffnung der Straße gestorben, berichtet Helga Wacker. Nach ihm ist eine Brücke über die Peregrinastraße benannt. Der Überweg symbolisiert, dass Sonnenberg zusammengehört. Trotz allem.