In unserer Serie „Stuttgart von oben“ blicken wir dieses Mal auf das Möhringer Freibad. Rund hundert Jahre ist es her, dass das erste Becken dort entstand.

Möhringen - Wenn die Möhringer ein Bad nehmen wollten, war in alten Zeiten die Badstube an der Pezoldstraße die erste Adresse. Bis ins 18. Jahrhundert hinein traf man sich hier zur Körperpflege. Dann wurde das Gebäude für eine reine Wohn-Nutzung umgebaut. Ob ein weiteres Badehaus am Standort des späteren Heilbrunnens bestand, bleibt Spekulation. Fakt ist, dass Schneidermeister Friedrich Wagner im Jahre 1899 an diesem Standort eine Wirtschaft eröffnete und auf die Idee verfiel, als besonderen Service auch Wannenbäder anzubieten. Bis auf dem Gelände geschwommen werden konnte, sollten allerdings zwei weitere Jahrzehnte vergehen. Karl Steck, der den Betrieb 1919 übernahm, hatte die zündende Idee, ergänzend zur vorhandenen Einrichtung eine Badeanstalt unter freiem Himmel zu schaffen. Damit war er ein Pionier. Obgleich es vereinzelt bereits Freibäder in Deutschland gab, erlebten sie, ebenso wie Strandbäder, erst mit der Aufweichung der Prüderie des Kaiserreichs in den 1920er-Jahren ihre erste Hochphase. In Möhringen war man am Puls der Zeit.

 

Karl Hoch wollte das Bade-Eldorado wohl verkaufen

1930 baute Karl Hoch, der Gastronomie und Badegelegenheiten übernommen hatte, die Anlage weiter aus. Möglicherweise mit dem Kalkül, sie im Anschluss gewinnbringend veräußern zu können. Jedenfalls stand die Einrichtung einige Jahre später tatsächlich zum Verkauf. Die Gemeinde Möhringen zeigte allerdings wenig Lust, sich finanziell zu engagieren, und auch Stuttgart lehnte das 1937 ergangene Angebot ab, die Wirtschaft samt acht Warmbadewannen und 50 Meter Schwimmbecken für 85 000 Reichsmark zu erwerben. 1942 erhielt die Stadt das Bade-Eldorado im Zuge der Eingemeindung Möhringens dann ohnehin kostenfrei.

Doch die Freude währte nicht lange. Wenig später fielen die Bomben. Auch das Freibad wurde im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört. Es gelang allerdings, die schwersten Schäden relativ schnell zu beheben. So konnte bereits 1946 die Wiedereröffnung erfolgen – allerdings noch ohne ein eigenes Wirtschaftsgebäude. Mitte der 50er-Jahre wurden umfangreiche Modernisierungs- und Erneuerungsmaßnahmen ergriffen: Neben einem Neubau für Umkleiden, Duschen oder die Aufbewahrung von Geräten, entstand eine Terrasse. Zudem wurden die vorhandenen Liegewiesen vergrößert. Heute nimmt allein die Grünfläche des FKK-Bereichs 4000 Quadratmeter ein.

Das Freibad zog Besucher aus dem gesamten Filderbereich und auch aus allen Stuttgarter Stadtbezirken an. Kein Wunder: Noch heute sprechen Stammgäste ohne Zögern vom schönsten Bad Stuttgarts, und mit der versuchsweisen Einführung einer Wassererwärmungsanlage anno 1968 blieb das Möhringer Freibad auch seiner Vorreiterrolle treu. Die angenehmen Temperaturen kamen nicht nur fröstelnden Freizeitschwimmern entgegen, sondern erlaubten auch eine größere Flexibilität bei den Trainingszeiten von Sportvereinen. Zudem konnte man dank der Wasserheizung traditionell als erste Stuttgarter Open-Air-Badeanstalt in die Saison starten und als letzte schließen.

Es ist schwierig, Personal zu finden

Dieses Jahr hat man sich nun entschlossen, wetterabhängig zu agieren. Auch, weil es offenbar schwierig ist, genügend Personal zu finden. Sollten die Tore an der Hechinger Straße in Zukunft länger geschlossen bleiben, bleibt ja aber immer noch die Option, in die heimische Badewanne zu steigen und an die Anfänge der Möhringer Badekultur in der Badstube zurückzudenken.

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