Über die Jahrzehnte hat sich der Marienplatz im Stuttgarter Süden baulich stark verändert. Man nutzte ihn sehr unterschiedlich, woran wir in unserer Luftbildserie erinnern.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

Stuttgart - Das hufeisenförmig eingerahmte Plateau am Ende der Tübinger Straße ist einer der urbansten Plätze der Stadt. Seit dem großen Umbau im Jahr 2003 ist er zum beliebten Treffpunkt avanciert – nicht bloß für schicke Youngster, sondern auch für die Leute im Quartier selbst, für Reingeschmeckte aus anderen Bezirken, für Familien und Singles, für Alte und Junge. Wenn im Sommer die Brunnen anspringen und die Kinder die Hosen hochkrempeln, um durchs Wasser zu waten, geht einem das Herz auf. Natürlich hocken auch Leute am Platz, die zu laut werden, wenn’s ein Schnaps oder ein Bier zu viel war. Bis in die Nacht kreuzen Fußgänger den Platz, um einzukaufen oder die nächste Bahn zu erwischen. Am Marienplatz pulsiert das Leben – auch, wenn hier mal kein Markt, Fest oder Zirkus logiert. Obwohl nicht immer eitel Sonnenschein am Platze herrscht und manchmal ein Fahrzeug mit Blaulicht hält, so sind die meisten Bruddler über die Jahre verstummt.

 

Erkunden Sie hier das Stuttgart des Jahres 1955 – interaktiv

Kalt und kahl sei er geworden, schimpften die Leute, als der Platz frisch fertig war. Die Kastanien waren noch mickrig, man wünschte sich das alte Grün zurück. Offenbar hatten diese Menschen über die lange Bauzeit vergessen, was das für ein zerzaustes Gestrüpp gewesen war, durch das man sich nächstens nicht alleine traute.

Im Grunde war der Marienplatz eine überdimensionierte Verkehrsinsel gewesen, auf dem die Junkies daheim waren. „Die verstärkten Razzien und Streifen im Bezirk Mitte haben dazu geführt, dass sich die dort zum Teil verdrängte Drogenszene in den Süden verlagert hat – auf den Marienplatz, in die Grünanlagen bei der Paulinenbrücke und auf den Rupert-Mayer-Platz“, schrieb die Stuttgarter Zeitung 1993.

Einst stand hier ein Zirkus

Es dauerte dann seine Zeit von der Erkenntnis, dass etwas geschehen müsse, bis zur städtebaulichen Entscheidung für die Planungen des Architekten Heinz Lermann von der Freien Planungsgruppe 7. Nun führt um den zentralen Steinplatz eine hufeisenförmige Allee. Wasserspiele, ein kleiner Bolz- und Basketballplatz, eine Freitreppe, ein runder Pavillon beleben ihn. Der Pavillon mit dem Eiscafé ist eine Reminiszenz an den Zirkus, der hier einst stand: Er war Ende des 19. Jahrhunderts von Hofwerksmeister Albert Hangleiter errichtet worden. Die einstmals modernste Manege des Reiches war beheizt, verfügte über elektrisches Licht und fasste 3500 Menschen. 1916 wurde sie abgerissen – aus Gründen des Brandschutzes. Bis in die 30er Jahre war der Marienplatz eine kleine Oase mit Rasen und Beeten, den die Stuttgarter bis dato„Anlägle“ nannten und ab 1937 „Platz der SA“ nennen sollten. 1941 wurde unterm Platz ein Luftschutzbunker angelegt, von dem heute noch ein vergitterte Treppenzugang zeugt.

Damals und heute: Hier gibt es weitere Luftbilder aus Stuttgart

1962 begannen die Bauarbeiten für das neue U-Bahnnetz. Die legendäre Linie 3 zwischen Marienplatz und Schlossstraße wurde eingestellt. Ein Jahr später wurde die Straßenbahnhaltestelle Marienplatz, die auf dem Luftbild noch zu sehen ist, ganz aufgelöst. Die unterirdische Haltestelle entstand.

Neue Endhaltestelle wurde 2002 eröffnet

Die Zahnradbahn, auch Zacke genannt, hatte 1955 noch ein stattliches Bahnhofsgebäude, das nach dem Zweiten Weltkrieg neu errichtet worden ist, weil das alte 1944 zerbombt worden war. Um die Zeit der Luftbildaufnahme war die Zacke übrigens die am meisten frequentierte Strecke im SSB-Netz. Es erfolgten im Laufe der Jahrzehnte mehrere Umbauten. Die jetzige, neu erbaute Endhaltestelle Marienplatz samt anschließender Brücke wurde im Dezember 2002 eröffnet. Die Zacke ist mit der Zugspitzbahn sowie den Zahnradbahnen zum Wendelstein und zum Drachenfels eine der vier letzten, die in Deutschland noch fahren.