Streetart mit Schiller, Hauff und Hölderling: Der Deutsch-Abi-Kurs des Königin-Olga-Stifts will die Stadt mit gesprayten Lyrikzitaten bereichern.

S-West - Schiller, Hauff und Hölderlin – allesamt berühmte Söhne Württembergs, die auch in Stuttgart wirkten. Aber wenn man nicht gerade auf dem Schiller- oder Hölderlinplatz unterwegs ist, bekommt man in der City nur wenig vom Vermächtnis der Dichter und Denker mit. Abiturienten des Königin-Olga-Stift (KOSt) im Westen wollen das ändern.

 

Lebenselixier oder Seelsorge

„Die Abitur-Themen im Fach Deutsch haben überhaupt keinen Bezug zu Lyrikern, die hier in Stuttgart aktiv waren. Uns hat aber interessiert, was genau die eigentlich zu bieten haben“, erzählt Matthias Vincon, der Deutschlehrer des Abitur-Kurses. So sei die Idee für ein Streetart-Projekt entstanden, bei dem im Stadtbezirk Zitate der Dichter aufgesprayt werden sollen. Die Zeilen der Poeten sollen „umhauen, manipulieren und inspirieren“, so Vincon. „Literatur ist für viele Lebenselixier oder Seelsorge. Wir haben uns gedacht: warum das nicht in der Öffentlichkeit zeigen?“

Die Zitate sollen beständige Insel im hektischen Alltag, sowie Tür zu einer anderen Welt sein. Außerdem will man auf den Reichtum an Literatur im Westen hinweisen, getreu dem Motto: junge Streetart trifft auf klassisches Kulturgut.

„Streetart ist modern und cool, so finden wir einen ganz neuen Zugang zu Lyrik, die manche von uns echt nur aus der Schule kannten“, erzählt die Schülerin Blandia Langniß. Auf die Frage, ob es eine reine Verschönerungsaktion oder Kunst sei, antwortet sie: „Die Kunst sind die Zitate selbst, Verschönerung machen wir. Also beides!“ Beispielsweise eine Zeile aus Friedrich Schillers Drama Don Carlos hat es den Schülern besonders angetan. Dort heißt es: „23 Jahre und noch nichts für die Unsterblichkeit getan!“

„Das treibt einen irgendwie an“, meint Jonas. „Es heißt für mich soviel wie: mach was aus deinem Leben! Und das geht alle im Stadtteil an.“ Sein Klassenkamerad Tim schätzt vor allem die Selbstironie Schillers, die in diesem Zitat zum Vorschein kommt. Außerdem würde es sehr gut zur heutigen Lebensart passen. „Wir verewigen uns mit diesem Kunstwerk ja auch irgendwie.“

Literatur zum Erfreuen

Den Schülern war es sehr wichtig, im Stuttgarter Westen, dem Stadtteil, in dem die meisten jetzt acht Jahre lang zur Schule gegangen sind, eine Spur zu hinterlassen. „Das ist dann auch schön, wenn man nach dem Abi mal zurückkommt“, so Blandia.

Gleichzeitig seien die Zitate nicht nur Anstoß zum Erinnern, sondern auch Zierde für Hauswände, Stromkästen oder Mülleimer. Der Stadt ein neues Gesicht geben, durch gesprühte Graffiti-Kunst. „Das ist die passende Kunstform unserer Gesellschaft: wenn die Verse mit der Zeit durch den Regen verblassen, so spiegelt das perfekt die Schnelllebigkeit, aber auch Vergänglichkeit heutzutage wider“, erklärt Matthias Vincon.

Momentan würden noch passende Flächen gesucht, die Spray-Aktion solle dann im Sommer, nach dem schriftlichen Abitur stattfinden. Da dürften die Schüler dann endlich „in erfreulicher Literatur baden“, so der Pädagoge augenzwinkernd. Um die Sprayflächen für das literarische Kunstprojekt zu finden, war Vincon gemeinsam mit drei Schülern im Bezirksbeirat West zu Gast. Dort haben sie ihr Konzept vorgestellt und um Mithilfe bei der Suche nach Freiflächen gebeten.

„Die Politiker waren begeistert und haben teilweise direkt ihre eigene Hauswand angeboten, das hat uns sehr überrascht und gefreut“, erzählt Vincon. Trotzdem seien sie nach wie vor auf der Suche, denn es sollen schließlich „mehr als drei“ Zitate angebracht werden. „Alles, was etwa zwei Handspannen groß ist, ist perfekt – ganz egal ob Treppe, Bordstein oder Mülleimer“, sagt der Lehrer.

Auch der Rektor des KOSt, René Wollnitz, ist von dem Streetart-Projekt der Schüler begeistert: „Wir wollen unsere Bildungsarbeit in der Öffentlichkeit zeigen. Denn Bildung ereignet sich nie beziehungslos, sondern stets zwischen Menschen: sei es in der Schule oder sei es mit den Leuten im Stadtteil.“

Warum wurde ausgerechnet Streetart als mittelndes Medium gewählt? „Streetart wird von allen gesehen“, sagt Blandia Langniß. „Außerdem ist Streetart modern und Lyrik ja auch nichts Altmodisches. Das sieht man zum Beispiel daran, dass uns Schüler die Zitate noch heute beschäftigen. Manche haben eine Botschaft, andere sind einfach nur schön.“