Studenten haben sich überlegt, wie das Museum dem großen Philosophen gerecht werden kann. Nicht mehr die Biografie soll, wie bisher, im Mittelpunkt stehen. Vielmehr soll Hegels Denken die Besucher in seinen Bann ziehen.

Stuttgart - „Stuttgart hat seine Schwierigkeiten mit Hegel. Vielen gilt er als zu kompliziert.“ Manfred Schmid von der Stuttgarter Museumsfamilie hat im Hegel-Haus eine Begründung dafür geliefert, dass der vermeintlich berühmteste Sohn der Stadt, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, bei vielen Stuttgarter nur ein Achselzucken auslöst.

 

Das soll sich ändern. Weil in zwei Jahren Hegels 250. Geburtstag ansteht, will die Stadt das Ausstellungskonzept des im Geburtshaus untergebrachten Museums erneuern. Nicht mehr die Biografie soll, wie bisher, im Mittelpunkt stehen. Vielmehr soll Hegels Denken die Besucher in seinen Bann ziehen.

Ein schwieriges Unterfangen. Schließlich gilt Hegels gedankliches System als kompliziert, seine Texte bereiten selbst geschulten Philosophen Bauchschmerzen. 30 Stuttgarter Studenten der Philosophie, Kunstgeschichte und Architektur haben im vergangenen Semester den Versuch unternommen, Hegels Denken in Objekten darzustellen.

Miniaturmodell des Hegel-Hauses

Die Initiative ging vom Change Lab aus, einem fakultätsübergreifenden Projekt der Uni Stuttgart, das nachhaltige Stadtentwicklung fördert. In einem interdisziplinären Seminar haben sich Studenten die Frage gestellt, wie Hegels Denken in Ausstellungsgegenstände zu übersetzen ist.

Das Ergebnis sind fünf Arbeiten, die seit diesem Montag bis Ende August im Erdgeschoss des Hauses zu sehen sind. So zeigt eine Serie von drei Fotos eine junge Frau, die sich im Spiegel betrachtet. Auf dem zweiten Foto ist ihr Spiegelbild verschwunden. Auf dem dritten sieht man sie wieder, aber zusammen mit drei anderen Frauen. Die Erklärung: Hegel zufolge ist Selbstbewusstsein im Sinne von Selbsterkenntnis nicht ohne soziale Vermittlung möglich. Nur in der Gemeinschaft erkennt man sich selbst.

Ein Miniaturmodell des Hegel-Hauses und seiner Umgebung setzt sich mit dem Begriff Reflexion auseinander, der in Hegels Gedankenwelt eine besondere Rolle einnimmt. Die Platzgestaltung im Modell sieht einen großen, runden Spiegel auf der Fläche zwischen Hegel-Haus und Tagblatt-Turm vor und macht so die metaphorische Bedeutung des Begriffs Reflexion konkret.

Kulturausschuss befasst sich am 22. Juni damit

Für Architekten sei die Übertragung von Gedanken in Form und Raum maßgeblich, sagte Bettina Klinge vom Institut für Raumkonzeptionen und Grundlagen des Entwerfens. Die Studenten hätten sich daher zunächst mit Hegels Philosophie befasst, um daraufhin Konzepte fürs Haus zu entwickeln. Im Zuge dieser Arbeit hätten sie auch herausgefunden, dass Hegels Geburtshaus einst ein Reihenhaus war und nicht ein Solitär wie heute, so Klinge.

Hegel selbst habe der Kunst nicht allzu viel abgewinnen können, sagte Catrin Misselhorn, Direktorin des Instituts für Philosophie an der Universität Stuttgart. „Trotzdem kann Kunst begriffliche Möglichkeiten aufzeigen, die der Philosophie verschlossen bleiben.“

Die Stadt will die Wahrnehmung des Philosophen an seiner Geburtsstätte stärken. „Die Impulse der Studenten haben ihre Wirkung hinterlassen, sie sind offen und ohne Berührungsängste mit Hegel umgegangen“, sagte Achim Laur vom Kulturamt. Am 22. Juni befasst sich der Kulturausschuss mit den Ideen der Studenten.