In Stuttgart marschieren Gemeinschaftsschulen und Bildungsbürgermeisterin gemeinsam nach vorn. Gut so, meint Bildungsredakteurin Inge Jacobs. Denn die jüngste Schulart braucht auch eine gymnasiale Oberstufe.

Stuttgart - Wer eine Schule für alle Bildungsstandards anbietet, muss diesen Weg auch konsequent bis zum Abitur ermöglichen. Insofern ist es schlüssig, dass Bildungsbürgermeisterin Isabel Fezer sich jetzt für eine gymnasiale Oberstufe bei den Gemeinschaftsschulen stark macht. Schlüssig ist auch, dass sich die acht Stuttgarter Gemeinschaftsschulen bei diesem Vorstoß zusammentun, um gemeinsam ein Konzept dafür zu entwickeln – und somit ihre Schulart attraktiver zu machen. Selbstverständlich ist das nicht. Denn so wie es aussieht, wird die Sekundarstufe II wohl nur an einem der acht Schulstandorte verwirklicht werden können – und dieser Standort wird dann naturgemäß besonders gefragt sein. Das Problem: 60 gymnasialfähige Kinder pro Jahrgang muss man erst einmal zusammenbringen. Aktuell weisen sechs der acht Gemeinschaftsschulen pro Jahrgang weniger als 60 Kinder auf. Und wie viele davon das Gymnasium packen werden, weiß heute noch keiner.

 

Sekundarstufe II würde Gemeinschaftsschule attraktiver machen

Es gehört zu den Schwächen der neuen Schulart, dass sich die Zahl der gymnasialfähigen Kinder nicht steuern lässt. Wer will, der darf – und zwar bis zur zehnten Klasse. Es könnte durchaus sein, dass die Perspektive auf eine Sekundarstufe II das Verhalten der Eltern bei der Wahl der weiterführenden Schule verändert und die Gemeinschaftsschule beliebter macht. Denn im Unterschied zum allgemeinbildenden Gymnasium hat sie einen Vorteil: Sie ist strukturell so angelegt, dass sie keine sogenannten Schulversager hervorbringt. Niemand muss aus Leistungsgründen die Schule verlassen, niemand bleibt sitzen. So ist ihre Schwäche zugleich ihre Stärke.

Mit einer Sekundarstufe II bietet die Gemeinschaftsschule insbesondere auch Familien ein Bildungsangebot, die ihren Kindern kein durchgetaktetes G 8 zumuten, ihnen aber trotzdem einen glatten Weg zum Abi ermöglichen wollen. Eine Art G 9. Mit einem etwas anderen pädagogischen Konzept, mehr individueller Förderung, mehr Freiraum. Wenn sich das bei den Eltern herumspricht, könnte das aktuelle Problem von Hunderten von Schülern, die aus Leistungsgründen das Gymnasium verlassen müssen und in Realschulen drängen, die übervoll sind, bald gelöst sein. Wär doch schön.