Das Krematorium in Stuttgart ist am Ende seiner Nutzungsdauer. Der Neubau am Pragfriedhof soll unter dem bisherigen Parkplatz vor dem Krematorium auf 300 Quadratmetern entstehen.

Fast zwanzig Jahre nach der letzten großen Sanierung will die Landeshauptstadt ihr Krematorium auf dem Pragfriedhof von Grund auf erneuern. Die Verbrennungsanlage in denkmalgeschützten Jugendstilmauern wurde von 1905 bis 1907 errichtet, die aktuelle Technik ist 19 Jahre alt. Die jüngste Instandsetzung galt 2016 der Abgasführung. Um gesetzliche Grenzwerte einhalten zu können, wurden damals zwei von drei Verbrennungsöfen außer Betrieb genommen. Nun will man die Kapazität wieder erweitern. Dabei sind die Kosten explodiert.

 

Baupreise extrem gestiegen

Die Erstkalkulation, die vor dem Grundsatzbeschluss des Gemeinderates Ende 2021 datiert, belief sich auf 11,8 Millionen Euro. Bis heute rechnet die Kommune wegen extremer Baupreissteigerungen mit einem Aufschlag von 3,993 Millionen Euro (plus 34 Prozent). Bis zur Inbetriebnahme werden weitere 3,170 Millionen (plus 20 Prozent) prognostiziert, in Summe wären es 18,963 Millionen Euro.

Ob die Preissteigerungen bis 2027 anhalten werden, weiß allerdings keiner. 2020 hatte ein Ingenieurbüro aus München durchgerechnet, dass der Verblieb des Krematoriums am Pragfriedhof kostengünstiger sei als ein Neubau an anderer Stelle. Der Gemeinderat soll Ende Mai 1,2 Millionen Euro für die weitere Planung bereitstellen. Gebaut werden soll von Februar 2026 bis August 2027.

Der Neubau von zwei Verbrennungsöfen ist im Bestand nicht zu schaffen. Anfang der 1980er Jahre war das Gebäude aufwendig erweitert worden, eine zweite Trauerfeierhalle, neue Kühlmöglichkeiten und Sozialräume waren angefügt worden. Der Teil des Krematoriums, in dem die Einäscherungen stattfinden, erstrecket sich über ein Erd- und zwei Untergeschosse. Die Technik steckt in heute viel zu kleinen Räumen mit niedriger Deckenhöhe. Der Neubau soll nun etwas abgesetzt vom Bestand unter dem bisherigen Parkplatz vor dem Krematorium auf 300 Quadratmetern entstehen.

Auch private Anbieter im Geschäft

Nur wenige Kommunen betreiben noch eigene Krematorien, Esslingen hat den Betrieb längst eingestellt, in Göppingen übernahm vor drei Jahren eine private GmbH, die auch in Schwäbisch Gmünd tätig ist. In der Region Stuttgart wird von Bestattern außerdem das Krematorium Bonholz GmbH in Rutesheim genannt. Leinfelden-Echterdingen hat sein Krematorium auf dem Waldfriedhof 2019 saniert, gestaltet hatte es samt Aussegnungshalle 1973 der renommierte Stuttgarter Architekt Max Bächer.

Im Stuttgarter Krematorium wird jährlich bisher mit 1741 Einäscherungen gerechnet; in Stuttgart gab es 2022 genau 7007 Sterbefälle. Der Kostendeckungsgrad liegt nach der jüngsten Erhöhung bei 99,5 Prozent. Die Einäscherung kostet 460,26 Euro, dazu kommen Verwaltungs- und Amtsarztgebühren (Leichenschau) sowie die Urne. In Leinfelden-Echterdingen zahlt man 570 Euro (plus Leichenschau), in Rutesheim 545 Euro (mit Leichenschau). Was die Millioneninvestition in Stuttgart für die Gebührenkalkulation ab 2027 bedeutet, ist noch unklar.

Mit dem Neubau sollen in Stuttgart die Kapazität und die Betriebssicherheit erhöht und einem „Leichentourismus“, also langen Fahrtwegen, vorgebeugt werden. Der Trend zur Urnenbestattung hält an. Die Einrichtung wird als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge begriffen. Bei „Großschadensereignissen und Pandemien“ mit hohen Todeszahlen sei das Krematorium in seiner jetzigen Form überlastet, mit nur einem Verbrennungsofen bestehe ein „relevantes Ausfallrisiko“. Ohne den Neubau müsste die Anlage mittelfristig stillgelegt werden. Während die Bauarbeiter tätig sind, müssen Verstorbene allerdings überführt werden, die Verbrennung in Stuttgart wird dann eingestellt.