Am Freitag debattiert der Gemeinderat die Klimaneutralität 2035 in Stuttgart. Noch ist das Ziel nicht beschlossen, noch fördert die Stadt das Verbrennen fossiler Energie.

Bis 2035 will die Landeshauptstadt auf ihrem Gebiet klimaneutral sein. Für dieses neue Ziel, bisher gilt 2050, ist im Gemeinderat am 27. Juli eine deutliche Mehrheit zu erwarten. Der Klima- und Umweltausschuss debattiert die neue Agenda erstmals an diesem Freitag, er soll dabei auch die Fortführung des Förderprogramms zum Austausch alter Ölheizungen beschließen. Es sieht bis zu 10 000 Euro Zuschuss und bei großen Anlagen die Übernahme von 25 Prozent der Investitionskosten vor.

 

Die Verpflichtung auf das Jahr 2035 sei ein „historisches Ereignis“, sagt Gerhard Pfeifer, der Regionalgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Stuttgart am Mittwoch beim Pressegespräch mit Ulrich Schmid, Markus Klinsmann und Christoph Glawge, die die Bewegung Parents for Future und Scientists for Future in Stuttgart vertreten. Klar sei, dass mit der neuen Zielsetzung „so schnell wie möglich“ Maßnahmen angegangen werden müssten, so Glawge, die Überschrift laute: „Elektrifizieren, was geht.“

Mangelhafter Ausbau von Photovoltaik

Das Gasheizungsprogramm passt dazu aus Sicht der Klimaaktivisten nicht mehr. „Absolut nicht mehr zeitgemäß“, sagt Pfeifer. Gefördert werden sollten nur noch Wärmepumpen, und zwar besonders leise, und der Aufbau von Wärmenetzen. Wobei sich für letztere diverse Tunnel zum Beispiel der SSB und der Neckar anböten, die als Wärmequelle quasi angezapft werden könnten.

Handwerkern müsse der rote Teppich ausgerollt werden, rät Pfeifer der Stadt, zum Beispiel durch spezielle Handwerker-Parkplätze in dicht beparkten Gebieten, außerdem, so Klinsmann, könne die Stadt Qualifizierung und Zertifizierung unterstützen.

Mit dem Schwenk auf 2035 wird aus Sicht der Aktivisten ein schmerzhaftes Versäumnis in Stuttgart offengelegt: Der mangelhafte Ausbau von Photovoltaik. Bis 2035 sei eine Verhundertfachung der installierten Leistung auf 1846 Gigawatt nötig. An Dach- und Freiflächen, zum Beispiel über Parkplätzen, an Straßen oder riesigen Garagenquartieren, mangele es nicht, bisher aber oft daran, Entscheidungsspielräume zu nutzen. Die Denkmalschutzbehörde im Rathaus solle zum Beispiel Solarflächen am Gaskessel und der Wolfbuschschule genehmigen, die Stadt „als wichtiges Symbol“ Module am Rathausturm anbringen.

Das Ziel 2035 ist erreichbar – unter bestimmten Voraussetzungen

McKinsey habe noch keine Steckbriefe für diverse Handlungsfelder geliefert, moniert Ulrich Schmid, daher habe man eigene aufgestellt. „Solarmodule auf dem Dach sind erste Bürgerpflicht“, würde zum Beispiel auf einem stehen. „Da hat die Stadt bisher gepennt“, so Pfeifers Urteil.

Unklar sei, wie McKinsey beim Thema Verkehr davon sprechen könne, dass für den Klimaschutz nur 25 Prozent Verlagerung (vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr) und fünf Prozent Vermeidung notwendig seien und ansonsten der Umstieg vom Verbrenner auf E-Autos reiche. „Seriöse Studien gehen von einer notwendigen Reduktion von 50 Prozent aus“, so Pfeifer. Man erwartet Vorschläge für Sofortmaßnahmen wie Tempolimits und eine Nahverkehrsabgabe.

Ist das Ziel bis 2035 zu schaffen? Ja, sagen die Protagonisten, dazu sei aber mehr Aufklärung in der Bürgerschaft, auch kleinräumig, und ein OB nötig, der für eine „Task-Force“ Durchgriffsrechte schaffe und das Thema verkörpere. Eine Rolle spielten die Energiepreise. „Ich bin zuversichtlich, dass es jetzt schneller geht, die Preise werden der entscheidende Treiber sein“, sagt Pfeifer.