Die AfD im Rathaus muss nach dem Parteiaustritt des umstrittenen Stadtrats Heinrich Fiechner nicht nur um ihren Fraktionsstatus fürchten: Auch dem Fraktionschef Bernd Klingler und seinem Vize Eberhard Brett droht Ungemach.

Stuttgart - Als die AfD bei der Kommunalwahl 2014 erstmals in den Stuttgarter Gemeinderat einzog, war das auch für die etablierten Parteien ein Warnschuss. Mittlerweile wird das Bild der durch den Übertritt des vormaligen FDP-Fraktionschefs Bernd Klingler zur vierköpfigen Fraktion gewordenen Truppe vorwiegend von Personalproblemen und Konflikten mit der Justiz geprägt. Kurz vor Weihnachten ist die Rats-AfD mehr mit sich selbst als mit den laufenden Haushaltsberatungen beschäftigt.

 

Der umstrittene und mittlerweile aus der Partei ausgetretene Stadtrat Heinrich Fiechtner soll die Fraktion spätestens im Februar verlassen, und der neue Fraktionsvize Eberhard Brett geht gegen seine Verurteilung wegen vorsätzlichen Betrugs zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe in Berufung. Der bisherige Co-Fraktionssprecher Lothar Maier hat seinen neuen Arbeitsschwerpunkt mittlerweile als Bundestagsabgeordneter in Berlin, und zu allem Überfluss droht nun auch noch dem alleinigen Fraktionsvorsitzenden Klingler ein Berufsverbot: Die Stadt hat nach Informationen dieser Zeitung dem Inhaber einer Weilimdorfer Werbeagentur die Gewerbeausübung untersagt – wegen Unzuverlässigkeit.

Städtische Verfügung hängt mit Klinglers Vergangenheit als FDP-Stadtrat zusammen

„Ich schlafe derzeit schlecht.“ So hatte Bernd Klingler in der vergangenen Woche die Vorgänge um seinen Noch-Fraktionskollegen Fiechtner kommentiert, der zunächst die Landtagsfraktion der AfD und später auch die Partei unter Hinweis auf nicht hinnehmbare antisemitische Tendenzen verlassen hatte. In der Ratsfraktion will Fiechtner noch bis Anfang Februar bleiben, er begründete dies unter anderem mit dem „sehr engen, freundschaftlichen Verhältnis“ zu Klingler und dessen Bitte um einen geordneten Übergang. Wäre Fiechtner sofort gegangen, hätte dies unter anderem für den Fraktionschef massive finanzielle Folgen gehabt. Als Sprecher einer dann nur noch dreiköpfigen Gruppe würde sich seine Aufwandsentschädigung von monatlich 2400 Euro um die Hälfte reduzieren.

Klinglers Schlafstörungen könnten aber auch eine weitere Ursache haben: Weil ihm die Stadt untersagt hat, seine Agentur weiter zu betreiben, wäre eine Halbierung seines Fraktionsführer-Salärs ein weiterer Schlag ins Kontor. Auf Anfrage bestätigte ein Rathaussprecher den Vorgang, zu Details werde man sich aber aus Datenschutzgründen nicht äußern. Offenbar hängt die Verfügung des Amts aber mit den Vorgängen aus Klinglers Vergangenheit als liberalem Aushängeschild im Rat zusammen.

Der Stadtrat war wie berichtet im Sommer 2016 wegen Untreue vom Cannstatter Amtsgericht zu einer Bewährungsstrafe von 14 Monaten verurteilt worden, weil er als FDP-Fraktionsvorsitzender Geld aus der Fraktionskasse für private Zwecke verwendet und dabei nach Aussage eines Kriminalbeamten mit Geld auf 22 verschiedenen Konten jongliert hatte. Nach längerem Zögern hatte Klingler das Urteil akzeptiert.

AfD-Fraktionschef wähnt sich verfolgt und spricht von „existenziellen Sorgen“

Auf Anfrage dieser Zeitung bestätigte er, die Stadt habe ihm eine Frist von acht Wochen gesetzt, um sein Gewerbe abzumelden. Er werde aber Widerspruch beim Regierungspräsidium einlegen und gegebenenfalls auch vor Gericht ziehen. Für den AfD-Fraktionschef ist die Anordnung der Stadt ein Affront: „Da will mich jemand fertig machen, weil ich jetzt bei der AfD bin.“ Er spricht von „existenziellen Sorgen“.

Dabei habe ihm ein Gutachter der Industrie- und Handelskammer, die in den Fall eingeschaltet ist, bescheinigt, dass er sehr wohl in der Lage sei, sein Geschäft zu führen. Klingler: „Ich bin noch nie jemanden etwas schuldig geblieben.“ Auch kurzfristig vereinzelt entstandene Steuerschulden habe er – inklusive Mahngebühren – stets beglichen.

Doch nicht nur dem Fraktionschef droht Ungemach, auch sein Vize Eberhard Brett muss bald wieder vor Gericht – diesmal in einem Zivilrechtsstreit mit einem ehemaligen Geschäftspartner. Es geht um von Brett treuhänderisch verwaltete Geschäftsanteile einer Immobilienfirma, die der Anwalt für die symbolische Summe von einem Euro erworben hatte und nun offenbar nur gegen eine Entschädigung wieder an die Firmeninhaber rückübertragen will. Ob eine mögliche Verurteilung Bretts, der mittlerweile auch die AfD-Landtagsfraktion in juristischen Fragen berät, Auswirkungen auf seine laufende Berufung im Strafverfahren und womöglich auf seine Bewährung haben könnte, ist offen. Fest steht nur: Bei der AfD-Ratsfraktion brennt kurz vor Weihnachten der Baum.