Einer koreanischen Architekturzeitschrift war das neue Museums- und Kulturforum Südwestfalen, wie das Haus inzwischen heißt, einen Artikel wert. Ein ehemaliger Architekturpraktikant, der in seine südkoreanische Heimat zurückgekehrt ist, habe die Publikation entdeckt und ihnen davon berichtet, erzählen Martin Bez und Thorsten Kock, die beiden Köpfe von Bez + Kock Architekten.
Für den Mies van der Rohe Award nominiert
Ihr Sauerlandmuseum hat es aber nicht nur bis nach Südkorea, sondern auch hierzulande auf die Titelseiten von vielen Magazinen und Architekturblättern geschafft; der Bau ist zudem mit einer Reihe von Architekturpreisen dekoriert und Anwärter auf weitere Lorbeeren. Sogar beim Mies van der Rohe Award 2022, der höchsten europäischen Architekturauszeichnung, ist er nominiert, allerdings mit 448 weiteren Projekten. Die Konkurrenz ist also immens, doch Bez und Kock sind dennoch hocherfreut, es ist das erste Mal, das sie in diesen erlauchten Kreis vorgedrungen sind.
Hochwertiger Stadtbaustein – das Sauerlandmuseum
Der skulpturale Kulturbau überzeugt tatsächlich durch und durch: Als schlichter und doch kraftvoller Solitär reagiert er passgenau auf schwierigste Anforderungen. So galt es, den Museums-Bestandsbau, ein barockes Palais, zu erweitern und dabei eine Höhendifferenz von zwanzig Metern zu überwinden. Denn während der Altbau hoch am Altstadtrand von Arnsberg über der Ruhr thront, sitzt die Erweiterung am Fuß des Felsrückens auf Fluss-Ebene. Die Altstadt neu beleben, ein vitales Ganzes aus Alt und Neu schaffen – , genau dies gelingt dem eleganten Bau, der sich über schräg gestellte, plastisch vertiefte Fensteröffnungen mit der Umgebung verzahnt und über einen markanten Brückenbaukörper mit dem Bestand verbunden ist. Dank seines Steinkleids aus Gauinger Travertin strahlt er eine zeitlose Prägnanz und Sinnlichkeit aus.
Kulturbauten als Schwerpunkt
Einmal Museum – immer Museum, einmal Kindergarten – immer Kindergarten? Diesem Spezialisierungsautomatismus, der typisch für viele Architekturbüros ist, haben sich Bez + Kock bewusst entzogen, wie sich bei einem Rundgang durch die erst vor kurzem bezogenen Büroräume am südlichen Ende der Königstraße zeigt. Die Vielfalt der Bauaufgaben, an denen die rund fünfzig Mitarbeiter sitzen – wobei der größere Teil von ihnen derzeit im Homeoffice arbeitet – , fällt ins Auge; ein Schwerpunkt auf Kultur- und Bildungsbauten ist allerdings klar zu erkennen. Kindergärten, Schulen und Verwaltungsbauten sind vertreten, aber auch ein Kirchenneubau in Pforzheim oder eine Botschaft im marokkanischen Rabat.
Zusammenspiel von Raum und Ordnung
Bauten, die vordergründig Wow-Effekte erzielen, „signature architecture“, also eine Handschrift nach Star-Architekten-Manier à la Gehry – damit haben Bez + Kock nichts am Hut. Eine klare Haltung legen sie freilich dennoch an den Tag: Was auffällt, ist ihr sensibler Umgang mit Materialien, die besondere Wertschätzung für handwerkliche Qualität, der individuelle Zugang zu jedem Projekt. „Eine Philosophie steht nicht am Anfang unsers Tuns, sondern die Aufgabe. Deren Charakter analysieren wir als allererstes,“, sagt Thorsten Kock. Statt nach Auffälligkeit streben sie nach Prägnanz und damit nach „Qualitäten, die sich erst auf den zweiten oder dritten Blick erschließen“, wie Kock sagt. „Was uns zudem interessiert, ist das Zusammenspiel von Raum und geometrischer Ordnung und die Frage: Wie entsteht etwas, was mehr ist als nur Ordnung?“, ergänzt sein Kollege Martin Bez.
In Bochum meisterten die Stuttgarter die Transformation der historischen Marienkirche zum zeitgenössischen Musikforum Ruhr mit einem mutigen Kniff: Ein Konzertsaal für die Bochumer Symphoniker und ein Multifunktionssaal nehmen die Kirche in die Zange, das Langhaus wird zum Foyer für die Anbauten. Rationale Geometrien treffen auf neogotische Spitzbogenfenster, heller Klinker paart sich mit den dunklen Ziegeln der Kirche.
Auch spannend: Bauen für Pinguine
Ebenfalls zu einer Konzert- und Veranstaltungshalle wandelt sich derzeit im rheinländischen Städtchen Monheim die denkmalgeschützte Fass-Abfüllhalle eines Mineralölwerks. Die Stuttgarter Architekten wollen der neuen Kulturraffinerie K714 mit 1100 Plätzen zu der vom kulturambitionierten Bürgermeister angestrebten Strahlkraft verhelfen, indem sie aus dem sechsschiffigen Ziegelbau einen nächtlich hinterleuchteten Kubus herauswachsen lassen.
Im Mannheimer Luisenpark wiederum entsteht bis zur Bundesgartenschau 2023 ein Grünes Erlebniszentrum, eine heiteres Ensemble aus organisch geformten, verglasten Pavillons, die unter anderem ein Restaurant, ein Aquarium und ein Pinguin-Gehege beherbergen. Bez: „Für Pinguine zu bauen ist hochinteressant – das ist etwas ganz Neues für uns.“
Entwurf als kollektiver Prozess
Diese Offenheit und Neugier zeichnet die beiden Büropartner und ihr Team aus, ebenso die Bereitschaft, sich mit neuen Themen stets intensiv zu beschäftigen. Man nehme sich viel Zeit, um nach dem idealen Material, der konsequenten Form zu forschen, sagt Martin Bez; den Entwurf beschreibt der Architekt als „kollektiven Prozess“: „Wir diskutieren viel.“
Von Moden verführen lassen will man sich nicht, dem Trend zum Holz etwa wollen Bez und Kock nur bedingt folgen. „Holz passt nicht zu jeder Bauaufgabe“, sagt Bez. Freilich sei Nachhaltigkeit ein wichtiges Ziel beim Bauen. Man wolle es aber nicht etwa durch technische Aufrüstung erreichen, sondern durch die architektonische Haltung. Deren Leitplanken: Zurückhaltung, Angemessenheit, Pflegeleichtigkeit.
Vor zwanzig Jahren haben sie das Büro gegründet
Als junge angestellte Architekten nahmen Bez und Kock in ihrer Freizeit an einem Wettbewerb für ein Studentenwohnheim in Hof teil – und gewannen. Das Projekt war der Grundstein für ihr Büro, das sie vor zwanzig Jahren gründeten – dieser Tage im April wird Jubiläum gefeiert. Bez + Kock zählen inzwischen zu den profilierten Büros in Stuttgart, die ihre Aufträge vorwiegend durch siegreiche Architekturwettbewerbe erringen. An rund 30 Auswahlverfahren nähmen sie jährlich teil, sagt Martin Bez, das bedeute: „alle zehn Tage eine Abgabe“.
Stuttgart bekommt endlich auch einen Bau von Bez + Kock
Was für viele Stuttgarter Architekten gilt, gilt auch für Bez + Kock: Man baut deutschlandweit und in aller Welt, aber wenig in Stuttgart. Immerhin: Im Justizviertel der Landeshauptstadt soll nach ihren Plänen ein Gebäude mit siebzehn Gerichtssälen für das Landgericht und das Oberlandesgericht entstehen. Damit bekommt endlich auch Stuttgart einen namhaften Bez + Kock-Bau.
Info
Sauerlandmuseum Das Projekt ist Finalist beim Mies van der Rohe Award 2022 und wurde jüngst beim BDA-Architekturpreis Südwestfalen 2020 mit einer Auszeichnung gewürdigt.
Chefs Martin Bez, Jahrgang 1967, studierte an der TU Karlsruhe und der ETH Zürich, Thorsten Kock, geboren 1966, absolvierte nach einer Zimmermannslehre sein Architekturstudium an der Universität Stuttgart und an der Ga Tech Atlanta. Beide waren wiederholt in der Hochschullehre beschäftigt und sind als Preisrichter bei Architekturwettbewerben tätig.