Stuttgarter ARD-"Tatort" Politthriller rund um Stuttgart 21

Stuttgart 21 hielt die Schwabenstadt jahrelang in Aufruhr. Im "Tatort" fesselt das Milliarden-Bauvorhaben Politik, Wirtschaft und Bürger noch immer - und sorgt für einen Politkrimi mit Tiefgang.
Stuttgart - Stau in Stuttgart. Die Straße ist von einer Menschenmenge blockiert, die Demonstranten sind wütend. Sie halten Schilder mit der durchgestrichenen Aufschrift „Stuttgart 21“ hoch. Kommissar Thorsten Lannert (Richy Müller) ist mit seinem braunen Porsche mitten in die Demonstration reingefahren. Warum zerreißt das Bauprojekt Stuttgart 21 die Gesellschaft der baden-württembergischen Landeshauptstadt derart? Diese Frage lässt die Kommissare Lannert und Sebastian Bootz im 16. Fall des Stuttgarter ARD-„Tatorts“ mit dem Titel „Der Inder“ an diesem Sonntag (20.15 Uhr) nicht los.
Ein ehemaliger Staatssekretär wird beim Joggen ermordet, drei Schüsse eines Profikillers. Die Stadt der endlosen Baustellen und Staus dient als Bühnenbild für den Politthriller - eine Baustelle aber ganz besonders: die des Bahnhofs. Das 2010 begonnene Projekt Stuttgart 21 verlegt den Bahnhof unterirdisch und soll Stadt und Region an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz anbinden. Doch der Bau sorgte für verletzte Stuttgart-21-Gegner, einen Regierungswechsel, eine gespaltene Gesellschaft.
Mit der Tieflegung des Bahnhofs wird auch innerstädtische Fläche für lukrative Bauprojekte frei. Für solch ein Projekt, das sogenannte „Gleisdreieck“, hatten der Geldgeber „Der Inder“ und Architekt Busso von Mayer (Thomas Thieme) im „Tatort“ Landesmittel bekommen. Doch der Inder entpuppte sich als Hochstapler, das Projekt scheiterte und von Mayer wanderte ins Gefängnis. Hatte sich der ehemalige Staatssekretär im Bauministerium, Jürgen Dillinger, dafür beschmieren lassen? Ein Untersuchungsausschuss des Landtags will das ergründen. Doch mittendrin wird der Ex-Staatssekretär ermordet.
Symbolträchtig fahren die Kommissare von Baustelle zu Baustelle
„Vielleicht kann ich mich jetzt auch mal über Stuttgart 21 aufregen“, sagt Kommissar Lannert zu seinem Kollegen. Das Duo begibt sich in einen Sumpf politischer Machtspiele und wirtschaftlichem Profit. Sie treffen auf einen von den Wählern geschassten Ministerpräsident, der verbittert von seiner Villa auf die Stadtlichter blickt; auf eine Politikerin, die gegen die Korruption kämpft. Und auf den gefallenen Architekten von Mayer, der umrahmt von seinen Entwürfen in einer Zelle sitzt und noch immer an seine Bauvision glaubt. „Stuttgart 21 ist das Beste, was dieser Stadt passieren kann... obwohl ich alles verloren habe.“
Symbolträchtig fahren die Kommissare von Baustelle zu Baustelle - der Bahnhof, der Landtag, eine Kneipe, die bald abgerissen wird. Selbst das Büro der Kommissare wird renoviert. „Ganz Stuttgart ist eine Baustelle. Wenn, dann richtig - so ist der Schwabe“, sagt die Vorsitzende des U-Ausschusses, Petra Keller (Katja Bürkle). Sie schließt das Fenster, um den Lärm der Bohrer auszublenden.
„Wohl keine Stadt ist durch ein Bauvorhaben so durchgerüttelt worden, in ihren gesellschaftlichen Grundfesten, aber auch in der Wahrnehmung durch das restliche Land, wie Stuttgart“, schreibt Regisseur und Drehbuchautor Niki Stein. Die Kommissare selber verkörpern die zwiegespaltene Stadtgesellschaft: auf der einen Seite die Gegner, auf der anderen die Befürworter.
Auch mit der Kameraführung zieht der Kriminalfall den Zuschauer in seinen Bann. Kameramann Stefan Sommer dreht langsame Kreise um die Protagonisten und vermittelt so eine Nähe zum Geschehen. Aufgedeckt wird der Mord letztendlich an der Urquelle des Falles: am Bahnhof. Hoch auf dem Bahnhofsturm überblicken Täter und Kommissar Lannert das Stadtbild.
„Ein städtebaulicher Irrtum, ein zubetonierter Talkessel“, hatte Architekt von Mayer die Stadt beschimpft. Am Ende bleibt aber die Hoffnung - dass es doch noch ein Ende gibt für Stuttgart 21, und für die Staus.
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