Lars Fischer und Kevin Wimmer sind Freunde seit der ersten Klasse. In wenigen Tagen beginnt ihre bisher ungewöhnlichste Tour: Mit einer 29 Jahre alten Mercedes E-Klasse fahren die beiden 23-jährigen Stuttgarter die Panamericana – von Argentinien bis Alaska.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Degerloch/Sonnenberg - „Seid ihr schwul?“ Diese Frage bekommen Lars Fischer und Kevin Wimmer in den vergangenen Monaten immer öfter gestellt – vor allem seit sie ihren gemeinsamen Instagram-Account „kevinundlars“ haben. Sie sind nicht schwul, aber das hindert die beiden 23-Jährigen nicht daran, die kommenden 14 Monate nebeneinander auf drei Quadratmetern zu schlafen. Sie wollen mit einer 29 Jahre alten Mercedes E-Klasse die mehr als 25 000 Kilometer lange Panamericana vom südlichsten Punkt in Südamerika bis zum nördlichsten Punkt in Nordamerika abfahren – und ihr Schlafzimmer ist ein kleines, aufklappbares Dachzelt.

 

Während ihrer Tour wollen die beiden auf Flugzeuge verzichten. Am 1. September verabschieden sie sich von ihren Familien in Degerloch und Sonnenberg, dann fahren sie nach Hamburg. Drei Tage später legt das Frachtschiff nach Montevideo ab, der Hauptstadt Uruguays. Dort angekommen, fahren die beiden nach Ushuaia im argentinischen Feuerland; dem Startpunkt der Panamericana. Und dann geht es nach und nach durch Süd-, Mittel- und Nordamerika bis nach Alaska. Dabei durchqueren sie 14 Länder sowie sechs Zeitzonen. Im November 2020 wollen sie in Prudhoe Bay ankommen – kurz bevor dort der tiefe Winter anbricht.

Abgeschlossene Ausbildung, keine Wohnung, keine Freundin

„Der Zeitpunkt für diese Tour ist perfekt“, sagt Lars Fischer. „Wir haben unsere Ausbildungen abgeschlossen, noch keine eigene Familie, keine eigene Wohnung und beide gerade keine Freundin.“ Lars Fischer hat Industriekaufmann bei Porsche gelernt und ein Jahr lang im Bereich Smart Mobility, also intelligente Mobilität, gearbeitet. Dass er den begehrten Job gekündigt hat, um mehr als ein Jahr durch die Welt zu reisen, verstehen nicht alle, das weiß er. Das hindert ihn jedoch nicht. Kevin Wimmer hat eine Ausbildung als Tourismuskaufmann absolviert – und dort viel über Reisen und die Panamericana gelernt.

„Dass wir so eine Reise irgendwann zusammen machen wollen, war immer klar“, sagt Kevin Wimmer. Die beiden sind beste Freunde seit der ersten Klasse. Lars Fischer wohnt in Sonnenberg, Kevin Wimmer einen Kilometer Luftlinie entfernt in Degerloch; beide kamen in die Albschule. Zwar besuchten sie später verschiedene Gymnasien – Lars Fischer das Wilhelms-Gymnasium, Kevin Wimmer das Geschwister-Scholl-Gymnasium – doch die Freundschaft blieb. In den vergangenen Jahren haben sie etliche Touren gemeinsam unternommen: Langzeit-Wanderungen, Roadtrips, manchmal auch ganz klassische Urlaube. Und sie haben die Familien des jeweils anderen besucht: Kevin Wimmer hat Verwandte in Brasilien, Lars Fischer in Finnland.

Inspiration aus dem Internet

Vor zwei Jahren entdeckte Kevin Wimmer dann während der Mittagspause einen Mercedes Benz W 124 mit drei Litern Hubraum, der im Hof einer Werkstatt in Weilimdorf zum Verkauf stand – ein ganz ähnliches Auto, mit welchem er kurz zuvor in Nordamerika und Kanada unterwegs gewesen war. Eine ältere Dame wollte den 180-PS-Wagen loswerden, weil ihr Mann verstorben war und sie keinen Führerschein besaß. „Es gab noch mehr Interessenten“, sagt er. „Ich habe der Frau dann einen Brief geschrieben, in der ich ihr unsere Pläne vorgestellt habe. Daraufhin sagte sie uns zu.“

Seit etwa einem Jahr planen die beiden nun an ihrer Tour. „Wir haben uns intensiv Gedanken gemacht, wie wir mehr als ein Jahr lang in einem Kombi leben können“, sagt Lars Fischer. Außerdem haben sie sich im Internet von anderen Reisenden inspirieren lassen und sich mit Leuten verabredet, die ebenfalls länger mit dem Auto in der Welt unterwegs waren.

Einer hasst kaltes Wasser, der andere Insekten

„Auf den ersten Blick denkt man: Diese alte E-Klasse ist ein völlig ungeeigneter Wagen, um die Panamericana abzufahren“, meint Kevin Wimmer. Schließlich warten Schotterpisten und beschwerliche Straßen auf die beiden, möglicherweise auch einige gefährliche Situationen. Doch das fortgeschrittene Alter des Wagens hat auch Vorteile: „Es gibt sehr wenig Elektronik. Wenn etwas kaputt geht, braucht man keinen Laptop. Uns kann in jeder kleinen Werkstatt geholfen werden.“

Und gibt es nichts, wovor die beiden Angst haben? „Wir hoffen, dass wir beide gesund bleiben“, sagt Lars Fischer. Ob sie sich Gedanken gemacht haben, was passiert, wenn sie sich auf engstem Raum gegenseitig auf die Nerven gehen? „Wir kennen uns in- und auswendig, auch die Marotten des anderen“, sagt Kevin Wimmer. So kann er als Sohn einer brasilianischen Mutter zwar sehr gut mit Hitze umgehen, dafür hat er eine große Abneigung gegen kaltes Wasser. Lars Fischer hat als Sohn einer finnischen Mutter und eines finnisch-deutschen Vaters kein Problem mit Kälte, dafür hasst er Insekten und andere Kleintiere. „Es werden sicherlich Momente kommen, in denen wir uns nerven“, meint Kevin Wimmer. „Aber wir können dann tagsüber auch mal was getrennt machen.“ Mit großen Überraschungen, was den anderen betrifft, rechnen die beiden jedenfalls nicht. „Wir machen ja auch jetzt schon die ganze Zeit was zusammen“, sagt Lars Fischer.