Stuttgarter Außenhandelsexperte hilft Unternehmen Wie Herr Bauer gegen Trumps Zoll-Chaos kämpft

Donald Trumps Zolltarife sind längst überholt. Was an Zöllen derzeit im Detail gilt, kann selbst die US-Administration in vielen Fällen nicht sagen. Foto: AP/Mark Schiefelbein

Marc Bauer berät für die IHK Region Stuttgart Unternehmen zu Zöllen. Doch was kann er in diesen Tagen überhaupt bewirken?

Geld/Arbeit: Daniel Gräfe (dag)

Marc Bauer ist ein ruhiger, besonnener Typ, er mag geordnete Verhältnisse. Als Experte für internationalen Warenverkehr berät er für die IHK Region Stuttgart Unternehmen zu den komplexen Fragen des Außenhandels, einem Feld, das voller Wechselbeziehungen ist. „Ich versuche, die Dinge zu Ende zu denken. Es ärgert mich, wenn Dinge unverbindlich sind, wenn man sich auf nichts mehr verlassen kann.“

 

Seitdem Donald Trump von den USA aus die Welt mit Zöllen überzieht, können sich Bauer und die Unternehmen der Region auf nichts mehr verlassen. Zölle kommen und gehen, kommen erneut oder werden pausiert – und binnen Tagen könnte wieder alles anders sein.

„Die Unsicherheit bei den Unternehmen ist derzeit maximal groß“

Derzeit gilt ein allgemeiner Importzoll von zehn Prozent auf Produkte deutscher Unternehmen. Davon ausgenommen sind Produkte, auf die bereits Zölle in Höhe von 25 Prozent erhoben werden, etwa Eisen, Stahl, Aluminium und Autos. Die pauschalen 20-prozentigen Zölle für Produkte aus Deutschland und der EU sind Stand jetzt für 90 Tage ausgesetzt. Was die Lieferketten angeht, etwa aus China, ist noch immer nicht klar, was Trump wie hoch taxieren will. Auch deshalb hätte Bauer Trump am liebsten an einem Ort, wo er weniger Schaden anrichten könnte.

Ähnlich dürfte man in vielen Unternehmen denken. In den vergangenen Tagen hat Bauer mehrere Online-Seminare veranstaltet, wie üblich waren vor allem Beschäftigte aus den Exportabteilungen vertreten. Die Unsicherheit sei derzeit „maximal groß“, so Bauer. Viele hätten schon vor den neuen Zöllen Waren verschifft, beziehungsweise selbst die Lager gefüllt. Manche hätten die Exporte auch gestoppt, bis man wisse, wie es weitergehe. „All das lähmt die Unternehmensgeschäfte.“

Dabei ist der Export und der folgende Import der Produkte auch ohne das von Trump angezettelte Zollchaos hochkomplex. Ein Räderwerk, das sich über Jahrzehnte eingespielt hat. Ziffern ersetzen dabei Landessprachen, erklärt Bauer. So beginnen Zölle auf Autos mit den Ziffern 8703, Druckerzeugnisse mit der Folge 4911.

Unternehmen oder ihre Spediteure melden die Waren für den Export an und berücksichtigen dabei eine Vielzahl von Regeln, Auflagen und Verboten. Allein die EU kenne 350 Verordnungen für den Außenhandel, sagt Bauer. Der Beratungs- und Schulungsbedarf sei enorm, auch deshalb stehe er Unternehmen beratend zur Seite – „das ist ein irrer Aufwand“.

Nicht weniger kompliziert seien die Importzölle, für die in der Regel die Importeure verantwortlich seien. In den USA spezialisierten sich oft Zollagenturen auf das Geschäft mit den Daten, Bescheiden und Gebühren.

Außenhandelsexperte Marc Bauer Foto: IHK Region Stuttgart

Unklar sei, ob sich die Zölle mancher Warenbestandteile addierten oder nicht. Mittlerweile ist es zumindest sicher, dass das Produktionsland für die Zölle bestimmend ist. „Es gibt noch kaum Richtlinien, wie etwas zu behandeln ist. Manches ist aber wohl auch der US-Administration noch nicht klar“, meint Bauer.

Die andere Frage: Wie gehen die importierenden und exportierenden Unternehmen mit den Zöllen und den Kostensteigerungen künftig um? Normalerweise zahlt der Importeur den Zoll. Dieser könnte versuchen, den Preis für die Ware zu drücken oder weniger Waren einzuführen. Auf der anderen Seite könnten exportierende Unternehmen versuchen, sich neue Märkte zu erschließen. „Das Problem ist, dass die Unternehmen kurzfristig wenig machen können und langfristig nicht wissen, wie sich die Zölle entwickeln“, sagt Bauer.

„Vielleicht war das für Europa ein Weckruf“, sagt Tassilo Zywietz

Tassilo Zywietz, Geschäftsführer Bereich International der IHK, glaubt, dass die neuen Unwägbarkeiten den innereuropäischen Warenverkehr stärken werden. Da die USA mit den Zöllen „völlig erratisch und unkalkulierbar“ handelten, brächen grundsätzliche Regeln und Bedingungen im Handel weg. „Jetzt feiert Europa seine Renaissance. Vielleicht war das für Europa ein Weckruf.“

Der Inflation Reduction Act, der Investitionen in den USA mit einem milliardenschweren Programm förderte, habe durchaus auch deutsche Unternehmen in den vergangenen drei, vier Jahren zu Investitionen verleitet, betont Zywietz. „Heute setzen dieselben Unternehmen alles wieder auf Null.“

Nun aber werde es zu neuen Wirtschaftsbündnissen kommen – manche wären so zuvor nicht denkbar gewesen. „Jeder versucht, seine Lieferketten zu sichern und Märkte zu verteidigen. China, Japan und Südkorea wollen deshalb nun viel enger als bisher kooperieren.“ Zywietz glaubt nicht, dass die Welthandelsorganisation WTO die aktuellen Zollkonflikte lösen könne – „zumindest nicht in der heutigen Form. Vielleicht kann es eine reformierte WTO, eine Allianz der Willigen, schaffen“.

Bis dahin aber ist die Welt der Zölle zerschlagen und sind auch die Unternehmen der Region Stuttgart auf sich alleine gestellt. Derzeit loteten die Unternehmen ihre Spielräume und Handlungsmöglichkeiten aus, sagt Bauer. Schon vor dem Zollchaos hätten die stagnierende Wirtschaft und die überbordende Bürokratie auf die Stimmung gedrückt. Gleichzeitig sind die USA das wichtigste einzelne Exportland für den Südwesten. „Das sind Dimensionen, die niemand kompensieren kann.“

„Zöllner ticken überall auf der Welt gleich“

Bauer wird auch die kommenden Tage und Wochen mit seinen Erfahrungen helfen, wird Tipps zu Liefer- und Zahlungsbedingungen geben, zu Steuerbescheiden und Warengruppen. Er wolle sich gar nicht vorstellen, dass es bei all den Zöllen bleibe, bei den ständigen Änderungen der US-Zollpolitik. Selbst der glühendste Trump-Anhänger werde wohl als US-Zöllner das Chaos und den Mehraufwand verfluchen, meint Bauer. „Zöllner ticken überall auf der Welt gleich.“

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