Auswanderer aus Stuttgart Warum Chris Striebel sich in Kuba pudelwohl fühlt

Chris Striebel ist sich sicher: Der Lebensort Kuba ist die richtige Wahl. Foto: privat

Nach einem erfolgreichen Start als Hotelier hofft der Stuttgarter Auswanderer Chris Striebel nach Corona und anderen Katastrophen wieder auf Gäste. Es geht Schritt für Schritt voran.

Stuttgart/Havanna - Kuba meldet eine Sieben-Tage-Inzidenz von 7,5. Klingt fast paradiesisch, also nichts wie hin. Chris Striebel steigt am 2. Januar ins Flugzeug. Aber nicht als sonnenhungriger Tourist, sondern mit einem One-Way-Ticket. Denn die Karibikinsel ist seit acht Jahren die neue Heimat des Stuttgarters. Er ist einer von den Auswanderern, über die wir immer wieder berichten und deren weiteres Schicksal wir nicht aus den Augen verlieren wollen. Nun ist er in Stuttgart, um amtliche Angelegenheiten zu regeln. Wie geht es ihm auf der Karibikinsel?

 

In Kuba gibt es keine Diskussion über Impfpflicht

Auf Kuba sind mittlerweile 82,1 Prozent der knapp 11,5 Millionen Einwohner vollständig geimpft. Über Impfpflicht wird in der autoritär geführten sozialistischen Republik nicht diskutiert, sie wird von Staats wegen verfügt. Dennoch hat die Pandemie die Träume, die sich Striebel auf der Insel erfüllen wollte, zerrinnen lassen. Als entscheidender Schlag nach anderen Katastrophen.

Vor neun Jahren hat Striebel von Stuttgart und seinem bisherigen Leben Abschied genommen. Viele kannten ihn aus der Gastronomie: Vom Fresko neben der Staatsgalerie, und vom Teehaus im Weißenburgpark. Dann machte er 2013, gerade 50 Jahre alt, seinen Vorsatz für diese persönliche Zäsur wahr: Noch einmal etwas Neues zu beginnen. Auf Kuba eine neue Existenz aufbauen.

Kleines Hotel für Individualreisende

Es wurde wieder die Gastronomie: Im September 2013 konnte er in der Stadt Baracoa das „Arca de Noe“, ein kleines feines Hotel eröffnen. Die Arche Noah hinter der Art Deco Fassade der Casa Rosada mit Säulen, Veranda und Dachgarten, blieb nicht lange leer: „Wir waren schnell regelmäßig ausgebucht. Die Adresse hat sich herumgesprochen. Es kamen Gäste aus ganz Europa, Individualreisende, die das Besondere wollten. Zwei Jahre lang liefen die Buchungen wie verrückt“, sagt Striebel in wehmütiger Erinnerung. Die politischen Umstände waren günstig, US-Präsident Barack Obama hatte eine neue Offenheit gegenüber Kuba angekündigt. Striebel dachte an Expansion. Dann wütete am 24. Oktober 2016 der Hurrikan Matthew auf Kuba und richtete vor allem in der Küstenstadt Baracoa verheerende Zerstörungen an. „Der Name bedeutet Ort der vielen Wasser“, erklärt dazu Striebel. Die Natur hat ihn mit furchtbaren Überschwemmungen mehr als wahr gemacht: „Das Hotel blieb verschont, aber die ganze Umgebung war ruiniert“, sagt Striebel und zeigt Fotos vom Ausmaß der Zerstörung. Die Gäste blieben aus, das Hotel leer.

Trumps Kuba-Politik und die Folgen

Der Naturkatastrophe folgte die politische: In den USA wurde Donald Trump zum Präsidenten gewählt. „Er verdankte seine Wahl den Exil-Kubanern in Florida und musste jetzt liefern“, meint Striebel. „Mit einer Verschärfung des Embargos, auf Kuba el bloqueo, die Blockade, genannt.“ Blockiert sind seit 2018 alle Lieferungen von Benzin, Nahrungsmitteln, Medikamenten, „eigentlich von allem Lebensnotwendigen“, beschreibt Striebel die schwierige Lage. Wie klappt dann die Versorgung? „Na ja“, lacht Striebel, „man ist halt ziemlich viel mit Organisieren beschäftigt.“ Irgendwie komme man durch, weil immer irgendwo irgendwer etwas verkauft, was man braucht. Die Kubaner seien Weltmeister im langmütigen Ertragen und Aussitzen von Problemen.

Kein Benzin fürs Taxi

Diese Misere hat Striebels Klientel, die nicht All-inclusive buchen will, endgültig vertrieben. Wie sollte man ohne Sprit für Leihwagen und Taxis die Insel erkunden? Und dann brach auch noch die Corona-Pandemie aus. „Kuba isolierte sich und war 2020 noch eine Insel der Seligen ohne Corona-Fälle“, erzählt Striebel. Bis im April dieses Jahres die Infektionen explodiert seien – verursacht laut lokaler Nachrichten von russischen Touristen mit gefälschten Impfzertifikaten. Doch seit Juli wird durchgeimpft, Corona gilt als eingedämmt. Der Tourismus nimmt wieder zu, und Striebel hört aus Kuba Mut machende Signale. Gibt es doch noch Hoffnung für sein Hotel?

Striebel ist ein Allrounder

Ohne Gäste hat sich Striebel auf seinen ursprünglichen Beruf besonnen: Er ist Grafikdesigner, Erfinder, Techniker und Tüftler, der schon unzählige Patente angemeldet hat. „Ich habe die Zeit genutzt und dicke Bretter gebohrt“: Er erarbeitete Pläne für ein DuoFront-3-Rad mit Neigetechnik, „mit dem man sich in die Kurve legen kann“, für einen Wellenreiter-Schiffsrumpf, der das Wasser nicht seitlich, sondern unter das Schiff und nach hinten verdrängt und damit Energie spart, für die Vermeidung der Kondensstreifen, die zwar hübsch am Himmel aussehen, aber ziemlich klimaschädlich sind, und schließlich für ein Tragflächenflugzeug mit Kipprotoren, das senkrecht starten kann. „Machbar und völlig fehlerfrei“, würdigte die Deutsche Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt das Konzept.

Keine Angst vor der Zukunft

Ob die Pläne einmal realisiert werden? Striebel zuckt mit den Schultern. Der Aleman (Deutsche), wie sie ihn auf Kuba nennen, hat den dort üblichen Langmut offenbar schon verinnerlicht. Kann ihn das wohlversorgte Dasein in Deutschland nicht mehr locken? „Auf keinen Fall“, antwortet der 59-jährige. Nichts kann ihn davon abhalten, auf die Insel in der Karibik zurückzukehren. Ohne Angst vor der Zukunft und überzeugt: „Es war die richtige Entscheidung.“

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