Stuttgarter Ballett Agnes Su tanzt sich ganz nach oben

Agnes Su darf sich nach einem beeindruckenden Debüt als Tatjana über die Ernennung zur Ersten Solistin freuen. Jason Reilly bereitete als souveräner Onegin dem Auftritt der amerikanischen Tänzerin einen perfekten Boden. Foto: Stuttgarter Ballett/SB

Ein Ballettintendant auf der Bühne bringt nicht immer gute Nachrichten. Am Ende der letzten „Onegin“-Vorstellung hatte die Stuttgarter Tänzerin Agnes Su aber Grund zur Freude.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Stuttgart - Nach einer berührenden Interpretation der Tatjana in John Crankos Ballett „Onegin“ hat Intendant Tamas Detrich die Tänzerin Agnes Su noch während des Schlussbeifalls auf der Bühne befördert. „Agnes Su ist nun Erste Solistin – von morgen an“, verkündete Detrich, der sich für seine Ansage kurz unter das Ensemble mischte und mit einem Mikrofon den lauten Applaus übertönte.

 

Aufführungsserie mit vielen Rollendebüts

So bekam die Aufführungsserie des ersten Handlungsballetts nach der coronabedingten Zwangspause am Sonntag einen krönenden Abschluss. Nicht nur was die Auslastungszahlen im seit November wieder voll besetzten Opernhaus betrifft, auch darstellerisch und tänzerisch knüpfte das Stuttgarter Ballett an alte Qualitäten an.

Sogar mehr: Dank einer neuen Lichtqualität, die Crankos Ausstatter Jürgen Rose im Lockdown auf den neuesten Stand der Technik gebracht hatte, erscheinen viele Szenen in „Onegin“ auch inhaltlich in neuer Tiefe, von einem Ensemble mit frischer, ungestümer Erzählfreude ausgefüllt. Ein toller Rahmen, in dem sich einige aus der Riege von Tamas Detrichs Ersten Solistinnen und Solisten erstmals bewähren mussten.

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Besondere Aufmerksamkeit gilt bei solchen Debüts den jüngeren Ensemble-Mitgliedern, die sich in der Balletthierarchie erst noch durchsetzen müssen – wie eben am Sonntag, als Agnes Su erstmals die Tatjana tanzte. Mit Jason Reilly als souveränem Onegin-Partner gelang es ihr, dem Drama die volle Fallhöhe zwischen tänzerischer Leichtigkeit und Gesten von Gewicht zu erspielen.

Den Weg vom verträumten Teenager zur Frau mit Gewissenskonflikten gestaltet Agnes Su mit bewegendem Spiel und großer Beweglichkeit. Flogen die Beine im Traum-Pas-de-deux jemals so schnell und hoch? Wer sich beim dramatischen Finale von der Amerikanerin eine feinere Differenzierung zwischen Sich-Fallen-Lassen und Aufbäumen wünschte, müsste für ein Wiedersehen mit Sus Tatjana allerdings mit der Kompanie im März zum Gastspiel nach Tokio reisen.

Roman Novitzky wird „Artist in Residence“

Die wenigen Aufführungen in Stuttgart boten den Debütanten leider nur eine einzige Chance und keine Möglichkeit, in ihren Rollen zu wachsen. Auch Matteo Miccini, der als Lenski zu grandios leichten und leisen Höhenflügen abhebt, wünschte man mehr Routine, damit sich auch in Partnern und Mimik ungestüme Leichtigkeit entwickeln kann.

Mit der Beförderung von Agnes Su füllt Tamas Detrich die nach dem Abschied von Hyo-Jung Kang hinterlassene Lücke unter den Ersten Solistinnen. Und auch in das Thema Hauschoreograf brachte der Intendant bei einer Veranstaltung der „Stuttgarter Nachrichten“ am Wochenende Bewegung: Der Erste Solist Roman Novitzky, der bislang tanzt, choreografiert und fotografiert, ist, so Detrichs Ankündigung, ab der nächsten Spielzeit „Artist in Residence“ des Stuttgarter Balletts. Als solcher soll er der Kompanie als Charaktertänzer für Rollen wie die Carabosse erhalten bleiben, sich aber vor allem Fotografie und Choreografie widmen können.

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