Die Beachvolleyballerinnen Chantal Laboureur und Julia Sude aus Stuttgart werden nach Querelen nun vom Verband unterstützt – und sind bei den anstehenden Weltmeisterschaften in Wien Mitfavoritinnen auf den Titel.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Stuttgart - Von Weitem ist nichts zu erkennen. Man muss schon genau hinschauen, um die Veränderung wahrzunehmen: Die Spitzen der dunklen Haare von Ricardo Brunale de Andrade sind seit Kurzem etwas aufgehellt. Das mit dem Blondieren, was der brasilianische Trainer seinen Athletinnen Chantal Laboureur und Julia Sude als Belohnung für den Sieg beim Majorturnier in Gstaad in Aussicht gestellt hatte, hat nicht so richtig funktioniert.

 

Dennoch steht bereits die nächste Wette. „Wenn wir Weltmeister werden, dürfen sie meine Haare blau färben“, sagt Ricardo Brunale de Andrade, während die beiden Sportlerinnen nach der Trainingseinheit unter dem wolkenverhangenen Himmel im heimischen Stuttgarter Neckarpark den Platz abziehen und die blau-gelb-weißen Bälle einsammeln.

Beide stammen aus Friedrichshafen und leben nun in Stuttgart

Wenn der lebensfrohe 44-Jährige da mal nicht sein blaues Wunder erlebt. Der Medizinstudentin Chantal Laboureur (27/MTV Stuttgart) und der Zahnmedizinstudentin Julia Sude (29/VfB Friedrichshafen), die beide aus Friedrichshafen stammen, ist bei den am Freitag beginnenden Weltmeisterschaften in Wien alles zuzutrauen. Das haben sie spätestens vor zweieinhalb Wochen in Gstaad bewiesen mit dem zweiten Sieg in ihrer Karriere bei einem Majorturnier nach 2016 in Porec.

So schwer die beiden sich hinterher auch mit Blondierpulver und Wasserstoffperoxid taten, so leicht tun sie sich zurzeit auf dem Beachvolleyball-Rechteck. Sie gehen als Weltranglistenzweite in die WM in Wien, als Medaillenkandidatinnen und Mitfavoritinnen. „Es wäre ein Megatraum, um Gold mitzuspielen“, sagt Chantal Laboureur, deren Mutter aus Osttirol stammt. „Wir haben uns den Gruppensieg vorgenommen, dann die Top Fünf – und dann ist alles möglich.“ Am Samstag geht es los, auf dem Center-Court bestreiten sie ihr erstes Gruppenspiel gegen die Kolumbianerinnen Gorda und Andrea Galindo. „Wir hatten immer die Außenseiterrolle. Wir müssen uns erst noch daran gewöhnen, auf den Setzlisten oben nach uns zu schauen“, sagt – mit einem Lächeln – Julia Sude, die Tochter des deutschen „Mister Volleyball“ Burkhard Sude.

Tokio 2020 ist das neue große Ziel

Bei Olympia 2016 in Rio fehlten die beiden als Weltranglistenfünfte wegen der großen nationalen Konkurrenz. Vergangenheit, abgehakt. Tokio 2020 ist das neue große Ziel. Die Aussichten auf das Olympiaticket sind besser denn je: Erst vor wenigen Tagen hat der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) Chantal Laboureur/Julia Sude zum Nationalteam ernannt. Vorausgegangen waren Querelen um den Trainingsort; der DVV forciert eine Zentralisierung unter seiner Regie in Hamburg. Doch wie die Olympiasiegerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst erhielten die Stuttgarterinnen jetzt eine Ausnahmegenehmigung, wenn auch noch Punkte wie Vermarktung oder Fahrtkostenzuschüsse zu klären sind.

Bisher bekamen die Sportsoldatinnen Chantal Laboureur und Julia Sude abseits der großen Titelkämpfe als Unterstützung nur eine Balltasche und zehn Bälle pro Jahr. Künftig wird ihnen als Nationalteam vom DVV auch bei den Turnierstarts mit Physiotherapie und Scouting geholfen. Mit Eigeninitiative und Eigeninvestitionen haben sie es dennoch schon weit gebracht. „Wir haben uns alles selbst erarbeitet“, sagt Julia Sude, und Chantal Laboureur fügt an: „Je professioneller wir uns aufstellen, desto mehr spiegelt sich das auch wider.“

Trainingsniveau über Wettkampfniveau als Erfolgsrezept

Dazu haben die zwei Stuttgarterinnen im November den erfahrenen Trainer Ricardo Brunale de Andrade verpflichtet. Ihm assistiert Thomas Ranner (29), Co-Trainer des Hallen-Nationalteams der Männer. Zusammen versuchen sie ein Trainingsniveau über Wettkampfniveau zu schaffen. Damit die beiden Frauen in den Partien immer alles abrufen können, über mehrere Spiele hinweg, auch in den großen Momenten. Mit Erfolg: Chantal Laboureur und Julia Sude, die auch mit einem Athletik- und einen Mentaltrainer arbeiten, haben ihre Annahme verbessert, präsentieren sich konstanter und variabler in ihrem Spiel. „Ihre Chemie untereinander ist fantastisch“, sagt Ricardo Brunale de Andrade.

Die Verbindung der technisch versierten 1,85-Meter-Blockerin Julia Sude als Ruhepol und des flinken 1,78-Meter-Energiebündels Chantal Laboureur dahinter ergibt eine homogene Mischung. Nur mit der Blondierungschemie gibt es noch Verbesserungsbedarf. Aber auch da haben die zwei schlauen Sportlerinnen für den Fall der Fälle in Wien eine Lösung für die Haare des Trainer parat. „Wir werden wohl keine Supermarktpackung mehr kaufen, sondern ihn zum Friseur schicken“, sagt Julia Sude.