Die beiden Stuttgarter Brauereien kämpfen um die Vorherrschaft. Legende ist längst der „Krieg der Krüge“ geworden. Im Jahr 2003 musste ein Richter schlichten.

Stuttgart - Es war ein Coup, der den Chefs bei Dinkelacker-Schwabenbräu schmeckte wie schales Bier. Ihre Kundin Sonja Merz entschied sich nach 15 Jahren, künftig das Bier für ihr Wasenzelt bei der stadteigenen Konkurrenz zu kaufen. Die nächsten Jahre beliefert Hofbräu die Wirtin. Sie feierte das mit einer eigenen Pressekonferenz samt geladener Bierkönigin – um dem Fass sozusagen die Krone aufzusetzen. Der Boulevard rief sogleich gewohnt martialisch den „Bierkrieg“ aus.

 

Solch eine Schlagzeile ist aber auch zu reizvoll. Gerade mal einen Kilometer trennen die beiden Brauereien im Stuttgart Süden. Wenn sie brauen, riechen das nicht nur die Einwohner in der Innenstadt, auch bei der Konkurrenz schwebt die fremde Duftwolke ein. Überall in der Stadt begegnen sich die beiden Platzhirsche: beim Wetteifern um Bars, Kneipen und Lokale – und natürlich beim Volksfest, sportlich zumeist, aber man trifft sich auch mal vor dem Kadi.

Ein Festwirt verkauft rund 2000 Hektoliter

Legende ist längst der „Krieg der Krüge“. 2003 war das. Da hatte Hofbräu Front gemacht gegen den Jubiläumskrug von Schwabenbräu. Man feierte die Gründung durch Robert Leicht vor 125 Jahren. Und Festwirt Alexander Laub schenkte im Schwabenbräu-Zelt in einem 1,25-Liter-Krug aus. Wettbewerbsverzerrung fürchtete Hofbräu. Bierernst war es ihnen damit. Richter Fuchs bewegte die Streithähne zu einem Vergleich und machte klar, wie man das früher gelöst hätte: „Am Volksfest gab es eine Richtstelle“, dort hätten die Wirte vorstellig werden und das Bier des anderen trinken müssen. „Der mit den ersten Ausfallerscheinungen hätte verloren.“

Zurück in die Gegenwart: Die Freude bei Hofbräu war groß, und man zeigte sie gerne. Dem Frohlocken und Jubilieren wird allerdings nicht das Klimpern von Münzen folgen. Ein großes Geschäft ist das Volksfest nicht für die Brauereien. Im Gegenteil, ein Festwirt verkauft rund 2000 Hektoliter Bier beim Volksfest, also 200 000 Maß Bier. Ganz genau kann man es nicht sagen, weil man dies in Stuttgart anders als in München als Betriebsgeheimnis behandelt, ebenso wie viele andere Zahlen. Am jährlichen Ausstoß der Brauereien hat das Volksfest-Bier jedoch keinen großen Anteil, fünf Prozent schätzt Martin Alber, Sprecher der Geschäftsführung von Hofbräu. Auch bei Dinkelacker mit seinem Ausstoß von 750 000 Hektoliter Bier im Jahr macht das von den Wasenzechern genossene nicht übermäßig viel aus – zumal die Brauereien auf dem Wasen viel Geld investieren. Was einst mal Trinkhallen waren, sind mittlerweile Paläste. Michael Wilhelmers Zelt beispielsweise soll 3,5 Millionen Euro gekostet haben, ein erklecklicher Anteil davon kam von Dinkelacker-Schwabenbräu. Da muss man ziemlich viel Bier verkaufen, um das reinzuholen.

Der Durst auf Bier lässt nach

Das Volksfest ist für beide Brauereien vor allem dafür da, auf sich aufmerksam zu machen. Das ist bitter nötig. Trinkt der Deutsche doch immer weniger Bier. 1993 verkauften die Brauereien in Deutschland noch 105 Millionen Hektoliter Bier, 2016 waren es noch 79 Millionen Hektoliter.

Der Durst auf Bier lässt nach. Die Brauereien rangeln auf einem umkämpften Markt mit einer Konkurrenz, die bei der Werbung kaum Mittel scheut. So verlor Dinkelacker seinen langjährigen Partner VfB an Krombacher. Angeblich zahlte die Brauerei aus dem Siegerland eine Million Euro im Jahr – fast doppelt so viel wie Dinkelacker. Die großen Marken drängeln mit Macht. Gehören sie doch mittlerweile nur noch wenigen Firmen: etwa Anheuser-Busch Inbev wie Franziskaner oder Beck’s, oder Radeberger und damit letztlich Oetker so wie Jever, DAB – und Stuttgarter Hofbräu.

Was sie bei Dinkelacker-Schwabenbräu dem Nachbarn gerne mal unter die Nase reiben und betonen: Sie selbst seien die einzig echte Regionalbrauerei Stuttgarts. Der Konkurrent werde aus Frankfurt (Radeberger), wenn nicht gar aus Bielefeld (Oetker) gesteuert. Was natürlich Hofbräu empört zurückweist, man braue in Stuttgart, sei daher eine Stuttgarter Brauerei. Kleine Sticheleien erhalten die Freundschaft, das gehört zur Folklore

Wobei man sich bei Dinkelacker-Schwabenbräu schon über das Abwerben von Sonja Merz geärgert hat, bekennt Stefan Seipel, fürs Marketing zuständig. „Das ärgert uns“, sagt er, „aber das gehört zum Wettbewerb.“ Damit nicht genug des Frusts, durch die Pleite der Wasenalm verlor man noch ein weiteres Zelt. Nun steht es 5:2 für Hofbräu, das auch im Almhüttendorf ausgeschenkt wird. Als einzig zugelassene Landbrauerei behauptet sich Fürstenberg. „Das ist kein schönes Verhältnis“, sagt Seipel, „wir werden auf den Verlust reagieren.“ Bei den Dutzenden Imbissen auf dem Wasen ist das zu spüren. „Da gibt es ein Hauen und Stechen“, sagt ein Branchenkenner, „und das ist nicht zu vernachlässigen, die haben auch 250 Sitzplätze.“ Da geht es natürlich um die Bierpreise, aber auch um Werbemittel oder um Geld für eine neue Fassade.

Kurze laufende Verträge

Solcherlei Wettbewerb hilft natürlich den Wirten. Das nutzt zum Beispiel Karl Maier. Im Göckelesmaier-Zelt schenkt er beim Volksfest Hofbräu aus, beim Frühlingsfest Dinkelacker. Die Zusammenarbeit mit beiden sei intensiv und wunderbar. Aber er schließt kurz laufende Verträge ab und signalisiert damit: „Ich bin mit keiner der beiden Seiten über die Maßen verheiratet.“ Was natürlich auch Geld kostet, das Austauschen von Werbemitteln und Schriftzügen ist nicht günstig. Aber er behält seine Freiheit und kann das bessere Angebot wählen. Und man müsste sich schwer wundern, würden die Herren von Dinkelacker-Schwabenbräu nicht mal bei ihm anfragen. Den nächsten Coup, den wollen nämlich sie landen.