Aki Kaurismäkis "I hired a Contract Killer" ist im Stuttgarter Depot in Szene gesetzt worden.

Kultur: Adrienne Braun (adr)
Stuttgart - Wenn sich einer nicht erhängen kann, wenn er es nicht schafft, sich das Messer ins Fleisch zu rammen oder sich einen Stromschlag zu versetzen, dann ist das verzeihlich. Unverzeihlich ist aber, dass Henri Boulanger versäumt hat, zu leben. Dass er sich durch die Jahre hindurch geackert hat, ohne Regung, ohne Liebe. Nichts als Routine, Fleiß und Ordnung. Denn als Henri Boulanger plötzlich gekündigt wird, weiß er nicht, was er mit diesem Leben noch anfangen soll. Und da er nicht einmal tüchtig genug ist, um sich umzubringen, engagiert er einen Killer, einen Contract Killer.

Vom Film zum Theaterstück


Aki Kaurismäkis "I hired a Contract Killer" wurde Anfang der neunziger Jahre zu einem Kultfilm. Jean-Pierre Léaud spielte in dieser lakonischen Tragikomödie den traurigen Helden, dem beim Sterben die Liebe dazwischenkommt - und der nun vergebens versucht, den Killerauftrag zu stornieren. Im Theater im Depot hat Seraina Maria Sievi nun "I hired a Contract Killer" auf die Bühne gebracht - und scheint sich fest vorgenommen zu haben, ebenfalls eine Kultproduktion zu stemmen. Herausgekommen ist eine muntere Schlagerparade, in der die Figuren zwischen den Szenen ans Mikro treten und alte Hits singen, hauchen, summen und brummen und dazu ironisch hippen und wippen. Sie singen "My Way", "Words don't come easy" und - besonders juxig: der Elektrohit "Popcorn" .

Es darf, es soll also gelacht werden. Und allein Michael Stiller als Henri Boulanger ist ein lachhafter Kauz in Rentnerbeige, der sogar artig eine Schüssel unterstellt, als er sich die Pulsadern aufschneiden will. Bei Kaurismäki erzählen die Blicke und Schauplätze mehr von der Tristesse des Seins als die sparsam platzierten Worte. Die Bühnenbildnerin Susanne Hiller nutzt im Depot geschickt die Drehbühne, auf der sie Innen- und Außenräume verschachtelt und aus Henris Wohnung mit wenigen Handgriffen Bar oder Hotelzimmer werden.

Reichlich Ironie im Stück


Eine sprechende Atmosphäre stellt sich aber trotzdem nicht ein, und der schwermütige Rhythmus wirkt auf der Bühne eher fad. "I hired a Contract Killer" wird häufig im Theater nachgespielt. Im Depot aber wird die Ambivalenz, diese tragische Lächerlichkeit der Figur in Ironie ertränkt. Sievi, die auch für die Textfassung verantwortlich ist, holt das Stück nach Deutschland. "Sie sind kein deutscher Staatsbürger", heißt es da, deshalb werde Boulanger, der Ausländer, als Erster entlassen. Um Sozialkritik geht es Sievi aber so wenig wie um die Nöte einer einsamen Seele.

Nicht alles gerät in dieser Inszenierung schlüssig. Warum Boulanger den Auftrag nicht rückgängig machen kann, bleibt ebenso unklar wie die Frage, warum er in einen Überfall hineingerät und die Juwelierin ausgerechnet seine Vermieterin ist. Die Qualität, die in Kaurismäkis Original steckt, wollte man hier offenbar gar nicht erreichen, auch der Stoff wurde nicht um seiner selbst willen gewählt, sondern soll witzig, lässig, launig Unterhaltung bieten. Aber immerhin: das ist gelungen. Weitere Vorstellungen am 16. und 26. Mai sowie am 8., 12. und 20. Juni