Björn Seemann ist ein geschickter Strippenzieher und hat so schon zweimal den Kickern im Verein die Existenz gerettet. Dafür wurde er zum Stuttgarter des Jahres gewählt.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Er ist ein Kümmerer und ein Schaffer. „Da ist man dann schnell in der Position, dass andere sagen, der Seemann macht das,“ charakterisiert sich Mr. Prag selbst. Den Spitznamen hat Björn Seemann im Verein SV Prag bekommen und er passt zu dem 47-jährigen Direktor einer Schweizer Privatbank. Er hat die Fußballabteilung des Vereins vor rund 15 Jahren gerettet – und genau genommen, hat er es jetzt gerade ein zweites Mal gemacht. Einerseits aus Nostalgie, denn er hat in dem Verein selbst mit neun Jahren begonnen, den Ball zu treten – so lange bis er mit Mitte Dreißig eine Familie gründete und seine Zeit deshalb knapper wurde.

 

Björn Seemann ist einer von zehn Stuttgartern des Jahres 2018. Das ist ein Ehrenamtspreis, den die Stuttgarter Versicherung gemeinsam mit der Stuttgarter Zeitung zum fünften Mal ausgelobt haben und der am 1. April 2019 bei einer Benefizgala im Stuttgarter Veranstaltungszentrum Wizemann offiziell verliehen worden ist.

Der Verein ist ein Ort der Integration

Für den Verein bringt er jedoch weiterhin aus innerer Überzeugung einen Großteil seiner Freizeit als Strippenzieher auf: Der SV Prag sei wichtig für das harmonische Zusammenleben, für gegenseitigen Respekt und für Toleranz im Viertel. „Gemeinsam spielen, gewinnen oder verlieren, das verbindet“, sagt er. Außerdem war der SV Prag immer ein Ort der Integration, denn zu seinem Einzugsgebiet gehört die Halbhöhenlage des Killesberg genauso wie das Nordbahnhofviertel, und heute kicken etliche Flüchtlinge aus den umliegenden Unterkünften mit. „Ihr seid tolle Menschen hat mir ein 14-Jähriger gesagt, der aus dem Irak zu Fuß hierher gekommen ist. Da geht einem das Herz auf“ – auch das ist einer der Gründe, weshalb Seemann findet: „Der Fußball im SV Prag muss leben.“

Blutige Knie nach dem Kick auf dem Hartplatz

Vor 15 Jahren sah es gar nicht mehr danach aus. Schuld war der Hartplatz. „Ich bin während meiner aktiven Zeit 25 Jahre lang mit aufgeschlagenen Knien rumgelaufen,“ erzählt er. Die Jungen wollten das nicht mehr mitmachen, und so wanderte der Nachwuchs aus der A- und B-Jugend ab. Mr. Prag kämpfte daher für einen Kunstrasenplatz. Er schrieb Lokalpolitiker an, machte mit ihnen Ortsbesichtigungen und sammelte Geld. Eine halbe Million Euro kostet der Belag, und die Stadt setzte den SV Prag auf die Warteliste. Nach acht Jahren wäre er an der Reihe gewesen. Das Aus für den Fußball wäre somit besiegelt gewesen.

Schimmel in der Dusche

Dann wurde der Bau der Killesberghöhe auf dem ehemaligen Messegelände beschlossen, und Seemann erkannte sofort, dass dies eine Chance für den Verein ist. Den damaligen Oberbürgermeister Wolfgang Schuster und die ehemalige Sportbürgermeisterin Susanne Eisenmann überzeugte er, dass es für die Kinder und Jugendlichen, die bald dort leben werden, ein Sportangebot geben müsse. Mit 98 Prozent stimmt der Gemeinderat schließlich für die sofortige Verlegung des Kunstrasens, und im Herbst 2007 wurde er eingeweiht. „Danach kamen jedes Jahr 20 bis 30 neue Jungs dazu “, rechnet er vor. 350 Jugendliche kicken beim SV, doch ein neues Problem tauchte auf: Die Sanitäranlagen in der alten Baracke waren marode und Schimmel machte sich breit. Die Teenager weigerten sich, hier zu duschen. Inzwischen ist die Baracke durch Container ersetzt.

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Nebauprojekt mit vielen Fallstricken

Wieder wirkte Seemann als Strippenzieher. „Wenn jetzt die Jugendlichen wegbleiben, wäre ja der Kunstrasenplatz umsonst gewesen.“ Der Neubau für die Duschen entpuppte sich als Riesenprojekt mit vielen Fallstricken, nicht nur, was die Finanzierung angeht. „Es ist das Anstrengendste, was ich je gemacht habe“, stöhnt Seemann. Jetzt sieht es gut aus, allerdings starten die Bauarbeiten mit einem Jahr Verzögerung. Seemann hofft, dass der SV im Herbst die Einweihung feiern kann. 100 000 Euro Spenden sind da, und das Preisgeld als Stuttgarter des Jahres fließt ebenfalls in das Projekt. „Wenn wir das geschafft haben, haben wir für die nächsten 50 Jahre Ruhe“, prognostiziert Seemann. Der dreifache Vater wirkt nicht nur im Hintergrund. Bis 2018 trainierte er die jüngsten Spieler, und seine Söhne kicken selbstverständlich auch im SV Prag – ganz der Papa.