Ulrike Groos, die Leiterin des Kunstmuseums, verknüpft mit ihrer Arbeit bildende Kunst und Musik. Sie freut sich auf die Suche nach dem Stuttgarter des Jahres, denn sie hält ehrenamtliches Engagement für unverzichtbar für die Gesellschaft.

Stuttgart - Sie ist schon jetzt gespannt auf die Diskussionen, die sie bei der Suche nach den Stuttgartern des Jahres erleben wird: Ulrike Groos, seit 2010 Leiterin des Kunstmuseums Stuttgart, hat spontan zugesagt, als die offizielle Anfrage kam, ob sie in der Jury mitarbeiten würde. „Ich finde, ehrenamtliche Tätigkeiten sind ein ganz wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens“, sagt sie. „Ohne dieses Engagement gäbe es eine Art Mangel.“

 

Der promovierten Kunsthistorikerin kann es allerdings passieren, dass sie unter den Namen, aus denen auszuwählen ist, den einen oder anderen kennt. Als Leiterin des Kunstmuseums ist sie natürlich viel in Stuttgart unterwegs und gut vernetzt mit den übrigen Kultureinrichtungen der Stadt. „Aber manchmal ist es besser, wenn man ohne vorgeprägte Meinung in eine solche Diskussion geht“, meint sie – und so wird sie nicht ausschließlich auf Ehrenamtliche aus der Kultur schauen. Ihre eigenen Interessen beschränken sich ja auch nicht auf die bildende Kunst und die Musik.

Verbindung von bildender Kunst und Musik

Das spiegelt sich in ihrem Lebenslauf wider, der geradlinig, aber alles andere als stromlinienförmig ist. 1963 im hessischen Schlüchtern geboren, hat sie die ersten zwei Lebensjahre in Südengland verbracht. Aufgewachsen ist sie aber in Jülich, wo sie das altehrwürdige Gymnasium Zitadelle besuchte, das in einem beeindruckenden Renaissancebau untergebracht ist. Vielleicht ist es diese Prägung neben dem sehr musikalischen Elternhaus, die dazu führte, dass sie nach einem Probesemester Informatik zu Kunstgeschichte, Musikwissenschaft und Ethnologie wechselte – und zwar in Würzburg, New York und Münster. Ihre Doktorarbeit beschäftigte sich mit dem Thema „Ars Musica in Venedig im 16. Jahrhundert“. Es ging, kurz zusammengefasst, darum zu zeigen, dass die Darstellung von Musikinstrumenten nicht auf die Aufführungspraxis schließen lässt, sondern dass Instrumente vielmehr eine symbolische Bedeutung haben können.

Diese Verbindung von bildender Kunst und Musik hat sie bis heute nicht losgelassen, sowohl beruflich als auch privat. Ulrike Groos belegte Kunstkurse, um sich ihr Fachwissen auch von der praktischen Seite her anzueignen. „Doch da war nie der Drang, sich künstlerisch auszudrücken“, sagt sie. Sie spielt Klavier und Querflöte – von Bach und Haydn über Fauré bis hin zu Hauschka (Volker Bertelmann), bei dem man schon mal in die Klaviersaiten greifen muss, um zirpende Töne zu produzieren. „Ein bisschen dadaistisch“, sagt Ulrike Groos, was sie als Lob für den drei Jahre jüngeren Komponisten meint.

Über Luxemburg und die Schweiz nach Stuttgart

Ein wissenschaftliches Volontariat am Westfälischen Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte in Münster bezeichnet Ulrike Groos heute als Glücksfall, denn zum ersten Mal hatte sie es nicht mit der Renaissance, sondern mit zeitgenössischen Künstlern zu tun. „Da war klar, dass ich das in Zukunft machen möchte“, sagt sie, die das Gespräch, die Auseinandersetzung mit den Künstlern liebt. In der Folge leitete sie die „manifesta 2 – Europäische Biennale für zeitgenössische Kunst in Luxemburg“ und stieß auf das Konzept des „white cube“: Kunst wird vor weißen, neutralen Wänden präsentiert, um sie für sich wirken zu lassen. Da kam ihr das Kunstmuseum Stuttgart später natürlich gelegen.

Davor standen die Stationen St. Gallen und Zürich, wo sie Erfahrungen in einer privaten Galerie sammelte. Der kommerzielle Aspekt des Kunstbetriebs ist aber ihre Sache nicht, und so wechselte sie nach Düsseldorf, wo sie von 2002 bis 2009 die Kunsthalle leitete. Ein ziemlich hässlicher Bau, dem sie einst mit dem augenzwinkernden Ausstellungstitel „Zurück zum Beton – Die Anfänge von Punk und New Wave in Deutschland“ neues Leben einhauchte.

Flüchtlinge sind Thema im Team des Kunstmuseums

In Düsseldorf ließ man sie nur ungern gehen, als sie von Stuttgart mehr oder weniger abgeworben wurde. Seit März dieses Jahres hatte sie alle Hände voll zu tun mit den Feiern zum zehnjährigen Bestehen des Hauses. Ihr jüngstes Projekt war die seit 10. Oktober laufende Ausstellung, die unter der Überschrift „I got rhythm“ Kunst und Jazz seit 1920 betrachtet.

Als Mitglied unter anderem der Findungskommission für den Leiter der Documenta 12 in Kassel sind Jurysitzungen wie die für den Ehrenamtspreis „Stuttgarter des Jahres“ nichts Neues für Ulrike Groos. Die Aktion kommt ihren vielfältigen Interessen entgegen, zu denen auch Politik und soziale Projekte gehören.

Momentan diskutiert sie viel mit den Museumsmitarbeitern über die Flüchtlingsthematik. „Wir leben in einer geschützten Welt – und plötzlich tun sich Abgründe auf“, sagt Ulrike Groos und bekennt: „Diejenigen, die darauf aufmerksam machen und helfen, sollten unbedingt unterstützt werden.“