Nilgün Tasman und Hans Ulrich Scholpp setzen sich für eine offenere Gesellschaft ein. Sie helfen Obdachlosen in der Vesperkirche und Flüchtlingen in deren Unterkünften. Deshalb gehören sie zu den zehn Stuttgarter des Jahres

Stuttgart - Nilgün Tasman ist eine lebhafte, offene Frau, die gerne auf Menschen zugeht. Ihr Ehemann Hans Ulrich Scholpp bewundert sie für ihr gewinnendes Wesen, das dem deutsch-türkischen Ehepaar ermöglicht, ein großes Netzwerk an Freunden für das gemeinsame Anliegen zu begeistern. Die beiden tun viel dafür, die Gesellschaft ein bisschen besser zu machen. Ihr Engagement für Obdachlose in Stuttgart und für die Flüchtlingshilfe ist für viele ein Vorbild, und so nahm die Jury des Ehrenamtspreises „Stuttgarter des Jahres“ das Paar in die Liste der Gewinner auf. Dieser Preis wird alljährlich von der Stuttgarter Versicherungsgruppe und der Stuttgarter Zeitung ausgelobt.

 

Als Organisatoren der Benefizveranstaltung „Tischlein deck’ dich . . .“ für die Vesperkirche sind Nilgün Tasman und Hans Ulrich Scholpp vielen Stuttgartern bekannt. Seit drei Jahren unterstützen sie zudem zwei Flüchtlingsunterkünfte in Stuttgart. Dabei geht es dem Ehepaar auch darum, die Gesellschaft für die Sorgen und Nöte anderer zu öffnen. „Brücken bauen“ nennt Nilgün Tasman das, die selbst eine sehr talentierte Brückenbauerin zu sein scheint.

Die Grenzen zwischen den Nationalitäten überwinden

1968 in Istanbul geboren, bis auf zwei Jahre bei der Großmutter in Ostanatolien in Göppingen als Kind sogenannter Gastarbeiter groß geworden, sieht sie sich klar als Deutsche mit türkischen Wurzeln. „Ich brenne für die türkische Musik“, sagt die zierliche Frau, die lange Kuratorin des Deutsch-Türkischen Forums war. An erster Stelle aber steht für sie der Wunsch, dass die Grenzen zwischen den Nationalitäten eines Tages keine Rolle mehr spielen.

Ihre eigene Biografie ist vergleichsweise bunt: Nach der Lehre machte sie in Göppingen einen Friseursalon auf und studierte nebenbei Psychologie. Sie erarbeitete ein Programm für Führungskräfte („Empathisches Führen“). An der Dualen Hochschule Baden-Württemberg ist sie Dozentin im Bereich Pflegewissenschaften, Schwerpunkt „Kultursensible Pflege“. Ihr Film „Bittersüße Reise“ zu diesem Thema wird in Bildungseinrichtungen als Anschauungsmaterial eingesetzt.

Und Nilgün Tasman schreibt. Ihr autobiografischer Roman „Ich träume deutsch . . . und wache türkisch auf“ ist 2008 bei Herder erschienen. Für die mit Freunden ins Leben gerufene Amateurbühne „Die Bosporusschwaben“ hat sie drei erfolgreiche Theaterstücke verfasst. Die Texte basieren auf eigenen Erlebnissen der Schauspieler, und das Publikum reagierte trotz des Witzes zum Teil zu Tränen gerührt.

Seine große Leidenschaft gehört alten Autos

Hans Ulrich Scholpp, 1958 in Stuttgart geboren und aufgewachsen, studierte in Stuttgart, Marburg und Kassel – zunächst Betriebswirtschaft und dann Grafikdesign. In seinem Atelier an der Gerokstraße unterstützt sein Team Unternehmen in ihrer Entwicklung von der Markenstrategie bis zum Kundenmagazin. Hier arbeitet auch Leyla Demirhan, die das Ehepaar für den „Stuttgarter des Jahres“ nominiert hat. Nebenbei illustriert Hans Ulrich Scholpp Bücher und widmet sich der Kunst. Seine große Leidenschaft gehört alten Autos: Er nimmt an Klassiker-Rallyes teil.

Den Kontakt zur Vesperkirche stellte Nilgün Tasman auf ihre unnachahmliche Art her: Sie sah die Schlangen vor der Leonhardskirche und sprach die dortige Pfarrerin Karin Ott an. „Das Konzept, sieben Wochen lang zwei warme Mahlzeiten anzubieten, um Menschen, die sonst am gesellschaftlichen Leben nicht mehr teilnehmen, einen Ort der Akzeptanz zu bieten, gefiel mir“, sagt sie. Brote schmieren aber war nicht ihr Ding, und so organisiert sie einmal im Jahr gemeinsam mit ihrem Mann ein Benefizkonzert für die Vesperkirche. Und schafft es immer wieder, Künstler wie die Stuttgarter Kultband Upfunkcoolo zu einem kostenlosen Auftritt zu ermuntern. Prominente wie die Autoren Wolfgang Schorlau und Elisabeth Kabatek machen gerne bei von ihr organisierten Lesungen mit.

Das Publikum von „Tischlein deck’ dich“ besteht aus Vesperkirchenbesuchern gleichermaßen wie aus Gästen, die bereit sind, 35 Euro Eintrittsgeld als Spende beizutragen. Die Veranstalter möchten so Berührungsängste zwischen den sozialen Schichten abbauen. In sieben Jahren „Tischlein deck’ dich“ kamen insgesamt 70 000 Euro zusammen. „Und wir stehen dafür ein, dass das Geld an die richtige Stelle kommt“, sagt Hans Ulrich Scholpp.

Doch nicht immer geht es um Geld. Für die Flüchtlingsunterkunft in der Tunzhofer Straße organisierte das Ehepaar mit Hilfe von Kunden und einer Benefizveranstaltung die Einrichtung zweier Spielzimmer. Für die Flüchtlingsunterkunft an der Mercedesstraße sammeln die beiden Windeln, Babynahrung, Kinderwagen und mehr. Für unbegleitete Minderjährige besorgt Nilgün Tasman Deos oder Rasierzeug. Dabei ist es ihr wichtig, den Empfängern Respekt entgegenzubringen. „Diese Menschen hatten vor der Flucht ein Leben. Die kommen ja nicht aus dem 12. Jahrhundert.“

Für ihren Mann ist das gemeinsame Engagement einfach eine Grundsatzfrage: „Ich glaube, es gibt nach wie vor so etwas wie eine Bürgerpflicht. Wir sind vom Glück geküsst, und deshalb wollen wir teilen. Es ist genug für alle da.“