Die Arbeit der Ehrenamtlichen im La Strada habe sich über die knapp 20 Jahre verändert, erzählt Hürttle. Nicht nur weil der Treffpunkt vor fünf Jahren aus „einem Kellerloch“ in neue, helle Räume gezogen sei. Früher sei der Draht zu den Prostituierten enger gewesen. „Wir haben uns über Frisuren unterhalten oder die Familie, Alltägliches eben“, sagt Hürttle. Die Frauen damals waren nach Jahren im Gewerbe meist robuste Charaktere. Heute werden junge Mädchen angeschleppt, von Zuhältern wie Freiern gedemütigt und geschlagen. Sie sprechen kein Wort Deutsch, können sich nicht wehren. Und vor allem sich den Helferinnen im La Strada nicht öffnen. „Das ist der Wermutstropfen“, sagt Hürttle. So blieben ihr nur liebevolle Gesten.

 

Im Winter in der Vesperkirche aktiv

Darum, aber auch weil es immer mehr Ehrenamtlerinnen geworden sind, engagiert sich Hürttle inzwischen umso mehr auch im Hintergrund. Mit Kolleginnen hat sie den Verein Inga (Initiative gegen die Ausbeutung von Frauen in der Prostitution) gegründet. Hürttle kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit und akquiriert Spendengelder. „Für Prostitution kriegt man nichts nachgeschmissen“, sagt sie. Das Bewusstsein der Menschen für diese Randgruppe zu schärfen, ist eines ihrer dringlichsten Anliegen. Und das, obwohl Hürttle die schiere Existenz „der Szene“, von der sie heute selbstverständlich spricht, in ihrem Leben bis vor 19 Jahren nicht im Entferntesten eine Rolle gespielt hat.

Nach dem Studium arbeitete die gebürtige Augsburgerin an verschiedenen Brennpunktschulen, ihr Mann übernahm den elterlichen Betrieb. Die Kinder kamen, Barbara Hürttle genoss den Luxus, Vollzeitmutter sein zu können. Erst als die Kinder älter waren, kam sie 1996 über eine Bekannte zum La Strada. Die Familie tat sich anfangs schwer mit dem Ehrenamt im Schmuddelmilieu. Doch Barbara Hürttle ist bis heute glücklich, den Frauen helfen zu können. „Und mir hat es Erdung gegeben“, sagt sie heute.

Wenn sie nicht im La Strada hinter der Theke steht oder für Inga Spenden akquiriert, ist Hürttle in den kalten Monaten in der Vesperkirche aktiv. „Mir wird nie langweilig, ich habe immer was zu tun“, sagt die Stuttgarterin des Jahres. Ganz selten denke sie ans Aufhören. „Es würde mir schwerfallen“, sagt sie. Und verdrängt den Gedanken auch gleich wieder. In der nächsten Zeit gebe es zu viel zu tun, sagt Hürttle. „Wir renovieren das Café.“