Die Ohren klingeln noch ein bisschen, auch wenn der Bass längst verhallt ist. Mit der letzten U-Turn am Freitag ist eine 15 Jahre währende Ära zu Ende gegangen. Ein Nachruf auf eine der besten Drum'n'Bass-Partys in Deutschland.

Stuttgart - Mannomann, liebe U-Turn, das war ja ein Abschied in der Nacht auf Samstag! Du hast gefeiert wie zu deinen besten Zeiten! Kantig, schnell und laut: schon immer warst Du die Drecksau unter den Stuttgarter Partyreihen. Eine willkommene Abwechslung im monotonen Einerlei der elektronischen Musik. Dass viele mit Dir nichts anfangen konnten, hat Dich nie gestört. Dafür gab es genügend Tanzwütige, die Dir jahrelang treu waren.

 

Legendäre Partys in der Röhre

Ach, was hatten wir für eine tolle Zeit miteinander, als Du noch monatlich in die Röhre eingeladen hast! Diese Vorfreude, wenn man nach einer halben Stunde anstehen endlich den Gang zum Hauptfloor betrat, Deine Bässe zuerst gedämpft und dann immer lauter hörte, bis man schließlich vor der Bühne stand und fast weggefegt wurde von Deiner Energie.

Deine treibenden Beats, die fordernden DJs und MCs rissen jeden mit, nicht zu tanzen war unmöglich. Und dieser Bass! Spürbar in jeder einzelnen Faser des Körpers, brachte er den eigenen Herzschlag in Deinen ganz speziellen Takt. Nicht immer war es schön anzusehen, zu welchen Bewegungen du Deine Gäste verführtest. Aber interessiert hat das keinen. Abspacken war Programm.

U Turn @ Röhre Fr 13.01.2012 (by Benyamin Senkal) from Filmography Benyamin Senkal on Vimeo.

Du warst hart und gnadenlos, nicht selten sogar schmerzhaft. Letzteres vor allem am Tag danach, aber manchmal auch schon in der Nacht. Stundenlanges Tanzen, zu wenig (oder falscher, weil zu hochprozentiger) Flüssigkeitsnachschub und die extreme Lautstärke konnten auch den stärksten Männern schwarz vor Augen werden lassen. Dann half nur noch eine Ruhepause auf dem ranzigen Sofa (bei Tageslicht ein grauenvoller Anblick) hinter den Turntables. Oder ein kurzer Ausflug auf den Ragga/Dancehall- oder Elektro-Floor, um sich bei langsamerem Tempo von Deinen schnellen Breaks zu erholen.

Der Location-Wechsel hat die U-Turn verändert

Doch 2012 musstest Du Dich notgedrungen von der Röhre trennen. Von diesem Schlag hast Du dich nicht mehr erholt, trotz aller Bemühungen. Im Universum war dein Sound nicht mehr derselbe, deine Bassline war weniger physisch präsent. Du schienst irgendwie so kraftlos und brauchtest immer länger, um richtig in Schwung zu kommen. Des öfteren verließen dich Gäste am frühen Morgen unbefriedigt anstatt wie früher erschöpft und schweißgebadet, aber glücklich.

Dann hieß es im Sommer 2014 plötzlich, dass Du nur noch alle zwei Monate Party machen und schließlich ganz aufhören willst. Vielleicht war es Dein stolzes Alter, vielleicht der Location-Wechsel, vielleicht auch der Umstand, dass DnB in Deutschland einfach nie richtig Fuß gefasst hat, der dich zu dieser Entscheidung getrieben hat.

Liebe U-Turn, Du hast dir den Ruhestand nach eineinhalb Dekaden redlich verdient, aber Du wirst der Stuttgarter Partyszene fehlen. Wir setzen darauf, dass Deine kleine Schwester Summerturn einmal im Jahr so richtig die Sau rauslässt. Und dass Deine sporadischen Gastspiele im Lehmann mindestens so großartig werden, wie Dein Abschied aus dem Universum.