Es ist geschafft: Der kommende Doppelhaushalt der Landeshauptstadt ist verabschiedet. CDU, AfD und zwei Stadträte der Freien Wähler lehnen diesen aber ab. OB Kuhn stimmt zu.

Stuttgart - Der Stuttgarter Gemeinderat hat am Freitagabend nach insgesamt 82-stündiger Beratung in drei Lesungen den Haushalt für 2020 und 2021 mit breiter Mehrheit beschlossen. 40 Stadträte mit Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) stimmten dafür, 17 Stadträte dagegen. Es gab drei Enthaltungen durch Thomas Adler, Stefan Urbat und Matthias Gottfried vom Linksbündnis. Für den Etat stimmten die Grünen, SPD, FDP, Puls sowie fünf Stadträte des Linksbündnisses sowie Konrad Zaiß und Michael Schrade von den Freien Wählern. Gegen den Haushalt stimmten die CDU und die AfD sowie Rose von Stein und Jürgen Zeeb. Der Fraktionschef der Freien Wähler monierte, die Mehrheit gebe das Geld mit vollen Händen für nicht nachhaltige Projekte aus. Die dunklen Wolken über der Automobilindustrie würden ignoriert. „Wir laufen sehenden Auges in eine Schieflage“, so Zeeb.

 

Wechselbad der Gefühle für die CDU

Die Ablehnung seiner Fraktion begründete der CDU-Chef Alexander Kotz vor allem mit der Entscheidung, den Hebesatz für die Grundsteuer nicht erneut zu senken und eine Bettensteuer einzuführen. Kotz war den Tag nach eigener Aussage „relativ entspannt“ angegangen, fühlte sich dann aber erst von OB Kuhn provoziert, durch das Einvernehmen bei der Kulturförderung zwischenzeitlich wider motiviert – und am Ende doch ziemlich frustriert, weil das neue Haushaltsbündnis vielen Vorschlägen seiner Fraktion die Zustimmung versagt habe. Die drei AfD-Vertreter kritisierten das Klimapaket, weil sich angeblich die Wissenschaft über den Klimawandel gar nicht einig sei. Das Trio stimmte fast durchgehend mit der CDU. Eigene Akzente hat es nicht gesetzt.

Fritz Kuhn stimmte für „einen Haushalt der Investitionen“. Die Stadt wolle die aufziehende Krise bewältigen und sieht sich in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld gut aufgestellt. Das neue Bündnis aus Grünen, SPD, FDP, Puls und Linkspartei hat Beschlüssen von 1,4 Milliarden Euro für nachhaltige Mobilität, Klimaschutz, Kinderfreundlichkeit, Sport, Kultur, Digitalisierung, Wohnen, Bildung, Betreuung und den Ausbau städtischer Infrastruktur zugestimmt. Vereinbart wurde, mehr Grundstücke zu kaufen, um sie der Bodenspekulation zu entziehen, dem Hauptgrund für hohe Mieten.

Der Grünen-Fraktionschef ist euphorisiert

Grünen-Chef Andreas Winter war am Ende des Tages geradezu euphorisiert. Er stimme dem Haushalt gerne zu, dieser sei zukunftsorientiert und bewege sich im selbst gesteckten Rahmen. Er lobte die Arbeit im neuen Bündnis, für die FDP rechtfertigte Stadträtin Sibel Yüksel die Teilnahme daran – „gönnen Sie uns doch auch mal eine Affäre“ – gegenüber Alexander Kotz in erster Linie mit Übereinstimmungen in Personalthemen.

SPD-Chef Martin Körner lobte die Entscheidung für eine mieterfreundliche energetische Sanierung von Gebäuden, die Nothilfe für die SSB und freute sich über die Grundsteuerentscheidung. Dadurch spare die Stadt 30 Millionen Euro, die nun für die Entlastung von Familien mit Kindern und 365-Euro-Tickets für Schüler, Auszubildende und Meisterschüler bereitstünden. Hannes Rockenbauch (Linksbündnis) zeigte sich zufrieden, weil seine Fraktion für viele ihrer 200 Anträge eine Mehrheit bekommen habe. Er hoffe, dass die Stadt nun auch bei den strukturellen Veränderungen richtig vorankomme. Beim Klima sei „ein ordentlicher Schritt gelungen“. Seine Mitstreiter Thomas Adler und Stefan Urbat erklärten, sie lehnten den Etat ab, weil ihnen die Klimapolitik nicht ehrgeizig genug erscheine.

Es gibt 842 neue Personalstellen

Die Ratsmehrheit schafft 842 Stellen, 144 Stellen sind nicht mehr befristet. Die Verwaltung hatte 637 Stellen vorgeschlagen, der Gemeinderat 206 draufgesetzt. Die Verwaltung hat 11 788 Mitarbeiter. Der Personalrat hält das im Augenblick für „ordentlich“, es könne aber nur der Anfang sein. Die Personalratsvorsitzende Claudia Häußler ist froh, Verwaltung und Gemeinderat dafür gewonnen zu haben, sich auch um Büros und Wohnungen für die Mitarbeiter zu kümmern.

Thomas Fuhrmann (CDU), für den es die ersten Haushaltsberatungen als Finanzbürgermeister waren, schaut „mit großer Sorge auf die Zahlen in den Jahren ab 2022“. Es drohe ein Kreditbedarf von einer halben Milliarde Euro. Diese Entwicklung müsse man ernst nehmen. Den Gemeinderat schrecken solche Warnhinweise aber nicht mehr. In der Vergangenheit fielen die folgenden Jahresabschlüsse immer viel besser aus als vorhergesagt.