Ganz unschwäbisch feiert die preisgekrönte Bar Jigger & Spoon Geburtstag mit Freunden – alles geht aufs Haus. An diesem stilvollen Ort wird besonders streng kontrolliert. Pro Wochenende erwischen die Wirte etwa sechs Gäste mit gefälschten Impfnachweisen.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Die Panzertüren, 90 Zentimeter dick, haben den Banktresor geschützt, der sich im Keller eines Geschäftshauses im Hospitalviertel befand. Vor vier Jahren ist aus dem begehbaren Safe eine stilvolle Location mit ausgeklügelter Belüftung geworden. Vor dem Lockdown hat das Magazin „Mixology“ das Jigger & Spoon zur „besten neuen Bar in Deutschland“ ernannt. Die wuchtigen Portale im Unterirdischen mögen Einbrecher ferngehalten haben – bei Coronaviren sind sie machtlos. Umso schärfer kontrollieren deshalb die Barbetreiber oben am Eingang.

 

Auch bei der Geburtstagsfeier, zu der 140 Stammgäste, Geschäftspartner und Lieferanten eingeladen sind, wächst die Schlange an der Gymnasiumstraße. Die Nachweise werden akribisch eingescannt und geprüft, mit dem Namen und Geburtsdatum von QR-Codes verglichen. Dies verursacht Wartezeiten im Nieselregen, trotzdem regt sich niemand auf. „Unsere Gäste sollen sich sicher fühlen“, sagt Mark Tzschoppe, einer der Chefs der Erfolgsbar, zu deren Teilhaber der in dieser Nacht ebenfalls mitfeiernde Stuttgarter Ballettstar Eric Gauthier zählt.

Ballettstar Jason Reilly trinkt alkoholfreie Cocktails

Kann es sich das Jigger & Spoon, das erst vor sieben Wochen – nach dem Lockdown – neu gestartet ist, also deutlich später als erlaubt, nach den finanziellen Einbußen in der Pandemie leisten, in einer langen Nacht (die Letzten gehen um vier Uhr früh) alle Getränke kostenlos auszugeben? „Es ist keine Frage, ob wir das können“, antwortet Tzschoppe, „sondern, ob wir es wollen“. Und sie wollen. Gerade nach dieser schweren Zeit wolle man was Gutes für Freunde des Hauses tun.

Eric Gauthier ist froh, dass er vor vier Jahren eingestiegen und nun Mitbesitzer ist. Ein Tänzer steht gern sicher auf zwei Beinen – auf zweifacher Kultur quasi: auf Ballett- und Barkultur. Sein Kumpel Jason Reilly, Erster Solist des Stuttgarter Balletts, feiert mit – ohne harte Drinks. „Es tut dem Körper gut, wenn man regelmäßig für einige Wochen völlig auf Alkohol verzichtet“, sagt er. Reilly bestellt sich einen Yuzuki. Die Auswahl an alkoholfreien Drinks im Jigger & Spoon wächst. Die Pandemie haben die Bartender dazu genutzt, innovative Alternativen zum Alkohol zu entwickeln – zum Trinken ohne Rausch. Der Trendbegriff heißt „Sober curious“, was nüchtern und neugierig bedeutet.

Auf Platz eins steht weiterhin Gin & Tonic

Erschienen sind alle vier Winzer, deren Produkte das Jigger & Spoon für Drinks mit Weinen nutzt: Johannes Bauerle, Thomas Diehl, Moritz Haidle und Markus Escher. Sie haben edle Tropfen von sich als Geschenk mitgebracht. Außerdem gesehen: DJane Alegra Cole, die an Silvester erneut hier auflegt, Beauty-Doc Christian Fitz, der zum Boostern rät, Wirt Yusuf Oksaz und andere.

Jede Bestellung wird in der Erfolgbar statistisch erfasst, weshalb die Macher genau wissen, was die Umsatzbringer seit dem Comeback sind: Auf Platz eins stehen erneut Gin & Tonic. Der Moscow Mule im Kupferbecher ist auf Platz zwei, gefolgt vom Klassiker Whisky Sour, von dem es heißt, ihn habe Marilyn Monroe zum Frühstück getrunken.

Die Bartender sind sehr froh, dass sie nach der langen Pause wieder ran an den Jigger, den Messbecher, und den Spoon, den Löffel, dürfen. Damit dies in der vierten Welle so bleibt, sind ihnen die strengen Kontrollen beim Einlass wichtig. Die Mitarbeiter wurden geschult, wie man gefälschte Impfnachweise erkennt. Offensichtlich sind nicht wenige Besucherinnen und Besucher so dreist, dass sie auf betrügerische Weise in die Tresorbar gelangen wollen. „Wir erwischen pro Wochenende etwa sechs Gäste mit gefälschtem Nachweis“, sagt Mark Tzschoppe. Wird die Polizei verständigt? „Wenn wir sie darauf aufmerksam machen, dass ihr Nachweis nicht stimmt, sind sie meist sofort weg“, erklärt sein Kollege Eric Bergmann.

Wie sich Gäste mit möglichen Fälschungen verdächtig machen

Alle Tricks, wie man Betrügern auf die Schliche komme, verraten die Jiggers nicht. Nur so viel: „Verdächtig etwa ist, wenn jemand mit dem analogen Impfpass kommt, seine Daten nicht digital erfasst wurden“, sagt Bergmann. Mitunter ist der Stempel mit dem Datum eines Impfzentrums versehen, das zu dieser Zeit geschlossen hatte. Digitale Zertifikate werden eingescannt und auf eine App der Bundesregierung aufgespielt, bei der Name und Geburtsdatum verglichen werden mit den Codes. Wer also den Nachweis des Vaters für sein Handy fotografiert hat und vorzeigt, wird schnell überführt.

Bei der Party zum Vierjährigen gibt’s keine Beanstandung. Zur späten Stunde brennen Wunderkerzen auf der Geburtstagstorte. Es gibt einige, die mit ihrem Drink aufs Impfen anstoßen. Je mehr sich impfen lassen, desto schöner werde das Leben wieder. Die Beschäftigten in der Bar tragen alle Maske. Die bringe „echt was“ sagt Bergmann: „Kürzlich hatte einer von uns einen leichten Schnupfen. Früher hätten wir uns alle angesteckt – doch diesmal hat es keinen erwischt.“