Das darf nicht passieren. Denn Stuttgart braucht Rolf Graser womöglich noch mehr, als Rolf Graser, dessen Freundin in München lebt, Stuttgart braucht. Gerade jetzt. Er ist enttäuscht vom Staatsbürgerschafts-Kompromiss der Großen Koalition: „Ich habe mir gewünscht, dass die doppelte Staatsbürgerschaft richtig kommt, dass sich das Segregationsmodell in Deutschland dem Ende zuneigt.“ Anstelle des über Jahrzehnte geforderten „Entweder Oder“ müsse dringend ein „Sowohl aus Auch“ treten, fordert er: „Das ist die Voraussetzung, kulturelle Vielfalt zu leben.“

 

Mit der ist es ihm sehr ernst, ob sich beim Sommerfestival ein karibischer Bass und eine orientalische Laute gegenseitig befeuern, oder ob es um das Recht eines türkischstämmigen Unternehmers geht, sich auch mal bewusst in ein Männerteehaus zurückzuziehen, ohne dass seine Kollegen gleich über angeblich bedrohliche Parallelgesellschaften unken. „Die herkunftsdeutsche Parallelgesellschaft ist die größte Parallelgesellschaft in diesem Land“, sagt Graser, „es gibt kaum einen Migranten, der keinen Kontakt zu Deutschen hat, aber es gibt viele Deutsche, die keinen Kontakt zu Migranten haben.“ Ganz oben auf der sozialen Pyramide „im herkunftsdeutschen Milieu“, sagt Graser, existierten tatsächlich „schreckliche Parallelgesellschaften, zum Beispiel die Teure-Handtaschen-Welt“.

Graser: „Zwang ist abzulehnen. Punkt!“

Auch was das Thema Integration betrifft, rät Stuttgarts umtriebigster Impulsgeber für Interkultur dazu, die Dinge differenziert zu betrachten. Für ihn gelten zwei einfache Regeln. Erstens: das Grundgesetz und die Gesetze gelten überall in diesem Land. Zweitens: „Zwang ist abzulehnen, Punkt!“ Soll heißen: „Wenn ein Mann seine Frau zwingt, nur mit einem Hut mit Straußenfeder auf die Straße zu gehen, dann ist das abzulehnen. Aber das Kopftuch wird nicht nur aus Zwang getragen, und nicht jede Frau, die eine Burka trägt, wird dort reingeprügelt. Viele tragen sie freiwillig.“ Auch das hat er gelernt: „Wenn man Traditionen durch Zwang beseitigen will, klappt das nie.“ Stattdessen: „Die Fragen der Toleranz müssen frei ausgehandelt werden.“

Sein Rezept dafür: Begegnungen, immer und immer wieder. Ob auf dem Marktplatz beim Sommerfestival der Kulturen, im Laboratorium bei einem Weltmusik-Konzert oder sonst irgendwo. Wenn man Rolf Graser zufällig in der Stadt trifft, ist er fast immer in ein Gespräch vertieft. Ebenfalls hilfreich: beharrliche Politik: Heute überreicht ihm Ministerpräsident Winfried Kretschmann das Bundesverdienstkreuz. „Mappus gegenüber hätte ich mich nicht so wohl gefühlt“, sagt Rolf Graser.

Doch die Konstruktion, in der er und seine Mitstreiter ihr beachtliches Engagement für Zuwanderer kanalisieren, ist strukturell bedroht: Die Förderung der Stadt Stuttgart für das Forum der Kulturen beträgt gerade mal die Hälfte der Personalkosten. Weiteres Geld muss durch Projekte reinkommen. Rolf Graser umschreibt es so: „Das Forum der Kulturen ist ein kleiner, dünner Stamm, der eine riesige Baumkrone von tausenden Projekten trägt. Und dieser dünne Stamm bin hauptsächlich ich, daher ist die Gefahr, dass das mal zusammenkracht, relativ groß.“

Rolf Graser meint es Ernst mit kultureller Vielfalt

Das darf nicht passieren. Denn Stuttgart braucht Rolf Graser womöglich noch mehr, als Rolf Graser, dessen Freundin in München lebt, Stuttgart braucht. Gerade jetzt. Er ist enttäuscht vom Staatsbürgerschafts-Kompromiss der Großen Koalition: „Ich habe mir gewünscht, dass die doppelte Staatsbürgerschaft richtig kommt, dass sich das Segregationsmodell in Deutschland dem Ende zuneigt.“ Anstelle des über Jahrzehnte geforderten „Entweder Oder“ müsse dringend ein „Sowohl aus Auch“ treten, fordert er: „Das ist die Voraussetzung, kulturelle Vielfalt zu leben.“

Mit der ist es ihm sehr ernst, ob sich beim Sommerfestival ein karibischer Bass und eine orientalische Laute gegenseitig befeuern, oder ob es um das Recht eines türkischstämmigen Unternehmers geht, sich auch mal bewusst in ein Männerteehaus zurückzuziehen, ohne dass seine Kollegen gleich über angeblich bedrohliche Parallelgesellschaften unken. „Die herkunftsdeutsche Parallelgesellschaft ist die größte Parallelgesellschaft in diesem Land“, sagt Graser, „es gibt kaum einen Migranten, der keinen Kontakt zu Deutschen hat, aber es gibt viele Deutsche, die keinen Kontakt zu Migranten haben.“ Ganz oben auf der sozialen Pyramide „im herkunftsdeutschen Milieu“, sagt Graser, existierten tatsächlich „schreckliche Parallelgesellschaften, zum Beispiel die Teure-Handtaschen-Welt“.

Graser: „Zwang ist abzulehnen. Punkt!“

Auch was das Thema Integration betrifft, rät Stuttgarts umtriebigster Impulsgeber für Interkultur dazu, die Dinge differenziert zu betrachten. Für ihn gelten zwei einfache Regeln. Erstens: das Grundgesetz und die Gesetze gelten überall in diesem Land. Zweitens: „Zwang ist abzulehnen, Punkt!“ Soll heißen: „Wenn ein Mann seine Frau zwingt, nur mit einem Hut mit Straußenfeder auf die Straße zu gehen, dann ist das abzulehnen. Aber das Kopftuch wird nicht nur aus Zwang getragen, und nicht jede Frau, die eine Burka trägt, wird dort reingeprügelt. Viele tragen sie freiwillig.“ Auch das hat er gelernt: „Wenn man Traditionen durch Zwang beseitigen will, klappt das nie.“ Stattdessen: „Die Fragen der Toleranz müssen frei ausgehandelt werden.“

Sein Rezept dafür: Begegnungen, immer und immer wieder. Ob auf dem Marktplatz beim Sommerfestival der Kulturen, im Laboratorium bei einem Weltmusik-Konzert oder sonst irgendwo. Wenn man Rolf Graser zufällig in der Stadt trifft, ist er fast immer in ein Gespräch vertieft. Ebenfalls hilfreich: beharrliche Politik: Heute überreicht ihm Ministerpräsident Winfried Kretschmann das Bundesverdienstkreuz. „Mappus gegenüber hätte ich mich nicht so wohl gefühlt“, sagt Rolf Graser.