Am kommenden Samstag wird Stuttgarts Wahrzeichen nach knapp drei Jahren wieder für das Publikum geöffnet. Damit bekommt Stuttgart auch eine windige und kühle Höhenlage zurück.

Stuttgart - Das Klima in Stuttgart? Nun ja, das kann ganz schön variieren. Zwischen den Niederungen am Neckar auf etwa 210 Meter Meereshöhe und dem Sockel des Fernsehturms liegen gut 275 Meter Höhenunterschied. Und wenn am kommenden Samstag Stuttgarts Wahrzeichen wieder zugänglich wird, kommen noch einmal 216,5 Meter dazu. In Zukunft kann der Stuttgarter also etwa 490 Höhenmeter in seiner Stadt überwinden. Das gilt allerdings nur theoretisch. Es ist schließlich kaum vorstellbar, dass jemand, sozusagen als Spidermännle aus dem Kessel, bis an die Spitze der Antenne kraxelt. Aber auch die obere Aussichtsplattform in 153 Meter Höhe über Grund thront knapp 430 Meter über der City und hat damit auch ein anderes Klima.

 

Fangen wir mit der Temperatur an: Pro 100 Meter Höhenunterschied wird es im Schnitt 0,65 Grad kühler – zwischen Kessel und Plattform also etwa 2,8 Grad. „Bei labiler Luft können das auch durchaus etwas mehr als vier Grad sein“, erklärt Klaus Riedl vom Deutschen Wetterdienst. Unter labiler Luft versteht der Meteorologe, vereinfacht gesagt, Wetter mit Wind und Luftaustausch.

Der Wind fühlt sich in der Höhe kühler an

Womit wir beim Wind wären. Anders als die Temperatur nimmt der Wind in der Höhe an Stärke zu und ändert auch seine Richtung. Wer unten bei Südwest-Wind in den Lift steigt, hat es auf der Plattform mit Westwind zu tun, der durchaus doppelt so stark sein kann wie zum Beispiel auf dem Schlossplatz. Der Fernsehturm ist also ein wunderbares Plätzchen, um sich mal eine frische Brise um die Nase wehen zu lassen. Stuttgarts Höhenspaziergang ist zwar deutlich kürzer als eine Windwanderung an der Nordsee und auch nur Kreis herum. Aber man ist auch schnell wieder zu Hause – was gefühlt ein Vorteil ist.

Apropos gefühlt: durch die Höhe fühlt sich die Luft bei zunehmenden Windgeschwindigkeiten kälter an als sie ist. Die Einheit dafür ist ein halbes Grad kühler pro einen Stundenkilometer mehr Wind. Klaus Riedl gibt ein Beispiel: „Weht der Wind in der Stadt mit zehn Stundenkilometer und oben auf dem Turm doppelt so schnell, fühlt sich die eh schon tiefere Temperatur auf der Plattform noch einmal fünf Grad kühler an.“

So ist Stuttgarts Wahrzeichen zum Beispiel ein wunderbarer Ort für glühend heiße Augusttage – oder künftig ein Treff für all diejenigen, die im Zeichen der weiteren Erderwärmung ihren Kindern einmal Schneefall live präsentieren wollen. Sehr häufig liegt in dem, was wir mittlerweile Winter nennen, die Schneefallgrenze bei etwa 500 Meter Meereshöhe. Das bedeutet: Während es auf dem Parkplatz der Waldau regnet, fällt auf der Terrasse in 640 Meter Höhe zumindest mal Pappschnee.

Blick von oben auf den Nebel

Die Höhe verschafft einem manchmal auch eindrucksvolle Aussichten nach unten. Laut Klaus Riedl liegen die Aussichtsplattformen des Fernsehturms knapp über dem üblichen Grenzbereich des Nebels. Es gibt also Tage, da steigt man bei grauem Wabern in den Lift und bei Sonne wieder raus. Ähnlich wie in den Bergen, wenn die Gondel durch die Wolken stößt.

Hoch über dem Talkesel ist es also meist deutlich kühler und windiger, real und auch gefühlt. Und die Luft ist auch sauberer. Bei einer Inversionswetterlage kann man von oben den atmosphärischen Dreckdeckel über dem Kessel gut erkennen. Allerdings können Luftschadstoffe auch bis in die Höhe der Plattform reichen, je nachdem, wie hoch die Luftschicht ist, in der wenig Austausch stattfindet. Die Konzentration an Dreck ist in der Höhe aber schon wegen des Windes geringer. Stuttgart hat also von bald wieder einen Ort zum tief Durchatmen. Zumindest ganz oben.