Anlässlich der Wiedereröffnung des Fernsehturms am Samstag blicken wir auf 60 Jahre Gastronomie-Geschichte rund um den Turm zurück: Von Hertie über Willi Weber und einen Michelin-Stern bis zur Schließung 2013.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Vom kommenden Samstag an kann im Panoramacafé des Fernsehturms wieder Kuchen gegessen und gevespert werden – siehe untenstehender Artikel. Gastronomie gehört seit 1956 zum Fernsehturm dazu. Wir schauen zurück.

 

1956: Kaffee und Kuchen im Turmcafé

Im dritten Stock des „Mastkorbes“ befindet sich das Café im „lichtdurchfluteten, rundum verglasten, heiteren Raum“, heißt es in den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 4. Juni 1955 in einem Ausblick. „Alles ist bunt eingerichtet; bequeme leichte Stühle mit farbigen Polstern, ein lebhafter Bodenbelag.“

Das zweite Stockwerk des Höhencafés wird als ruhiger gehalten beschrieben, „mit seriöseren Stühlen“! Insgesamt verfügten beide Stockwerke über 200 Sitzplätze. Zum Schluss erweist sich der Autor als Frauenversteher: „Es wird Sie auch interessieren, gnädige Frau, wie es in der Küche aussieht. Nun, dort ist alles aufs Modernste eingerichtet. Auch einen Kühlraum gibt es 140 Meter über dem Erdboden.“

1989: SDR hadert mit seinen Pächtern

Über ein Vierteljahrhundert lang ist der Süddeutsche Rundfunk als Betreiber des Turms mit seinen Gastronomen zufrieden. „Ruf und Ansehen genoss die Gastronomie im Fernsehturm, als sie in den Händen von Fedor Radmann lag. Ihm folgte das Ehepaar Gnant, das sich 1982 aus familiären Gründen nach Freiburg veränderte“, heißt es in den StN vom 21. Juli 1989.

Danach waren Alfred und Margit Müllerschön am Werk, deren Vertrag aber nach fünf Jahren nicht verlängert wurde. Stattdessen setzte der SDR, der in seinem Fernsehturm damals jährlich 500 000 Besucher zählt, auf eine Tochter des Handelskonzerns Hertie. Nach nur zwei Jahren wird der Vertrag mit Le Buffet nicht verlängert. „Seit dem letzten Pächterwechsel haben wir einen halben Ordner voll Beschwerden sammeln müssen“, sagte der damalige Verkehrsdirektor Stuttgarts, Klaus Büscher. Als Nachfolger für das Hertie-Gastspiel im Gespräch: Gerd Schüler und Michael Presinger vom Perkins Park, die damals die Gastronomie im Frankfurter Fernsehturm übernommen haben.

1989: Leo Eigner wird der fünfte Pächter im Turm

Am Ende machen nicht Schüler und Presinger das Rennen, sondern Leo Eigner, „Münchner Löwenbräu“-Pächter. Eigner setzt auf die Terrasse mit ihren 180 Plätzen am Fuße des Turms und plant dort „eine Bewirtschaftung im Erlebnisstil, etwas in Richtung Biergarten“, heißt es in einem Artikel der Stuttgarter Zeitung vom 7. November 1989. Das Lokal am Fuße des Turmes eröffnet er unter dem Namen „Landhaus“. Im April 1990 geht auch die Gastronomie im oberen Teil des Turms wieder an den Start – mit dem pfiffigen Namen „Skyline“.

1999: Willi Weber und der Stern

Der Fernsehturm leidet an sinkenden Besucherzahlen: Es kommen nur noch 300 000 im Jahr. Willi Weber, der damalige Manager von Michael Schumacher, soll als Pächter gegensteuern. Direkt unter der Besucherplattform geht Weber mit dem Panoramacafé ins Rennen, am Fuße des Turms eröffnet Luigi Aracri das italienische Lokal Primafila. Als gastronomischer Höhepunkt fungiert Weber’s Gourmet im Turm, wo Armin Karrer bald einen Stern erkochen wird. Mit dem Gourmet-Lokal will Weber laut StZ-Artikel vom 3. Juli 1999 „Stuttgart aus dem Dornröschenschlaf erwecken“. Die Eröffnungsparty fällt kleiner aus als erhofft. Begründung von Willi Weber: „Naomi Campbell ist in Japan, Claudia Schiffer in New York, und Chris de Burgh arbeitet gerade an einer neuen Platte.“ Henry Maske taucht aber immerhin auf. Das Gourmet-Lokal besteht bis 2005, das Panoramacafé und das Primafila bis 2010.

2011 Neueröffnung, 2013 Schließung – bis Herbst 2015

Alex Deißler und Leif Urtel vom Bravo Charlie eröffnen 2011. Das Lokal am Fuße des Turms heißt künftig „Unten“, das Panorama-Café „Oben“ und der Biergarten „Draußen“. Als die Stadt den Fernsehturm an Ostern 2013 schließt, bleiben die Gäste auch im Biergarten und im Lokal am Fuße des Turms weg. Die Gastro-Betriebe werden im Mai 2013 ganz geschlossen – und bleiben zu bis September 2015.