Kurzfilme, Tanz, Installationen – vom 7. bis zum 16. Januar bietet der Stuttgarter Filmwinter wieder vieles – und das meiste im Netz. Und wirft auch die Frage auf: Welche Räume hat die Stadt eigentlich noch für solche Festivals?

Stuttgart - Es ist ein bitterer Satz, aber in diesen Tagen längst auch kein ungewöhnlicher mehr: „Aufgrund der pandemischen Entwicklung wird der 35. Stuttgarter Filmwinter erneut hauptsächlich als Online-Festivaledition stattfinden.“ Man könnte es also als Normalität der Ausnahmesituation abhaken, dass Stuttgarts „Festival for expanded Media“, so der Untertitel, vom 7. bis zum 16. Januar hauptsächlich im Netz stattfinden wird. Da befindet sich der Filmwinter in bester Gesellschaft, jede Menge Kultur musste schon wegen Corona mehr oder weniger erfolgreich ins Netz ausweichen.

 

Und für einige Filmwinter-Programmpunkte kann und soll man ja nach wie vor den sozialen Außenraum betreten. Für die Ausstellung „Expanded Media – Medien im Raum“ im Projektraum Kunstverein Wagenhalle etwa, mit der am Freitag ab 16 Uhr in einem sogenannten Soft Opening – kein Festakt, keine Publikumsballung – der Filmwinter eröffnet wird. Und am 15. Januar um 19 Uhr und am 16. Januar um 14 sowie 18 Uhr kann man in der Tri-Bühne die Tanzchoreografie „In my Room“ erleben. Louis Stiens und Shaked Heller haben sich von Rainer Werner Fassbinders Film „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ von 1972 und von dessen Fragestellung „Wie können und wollen wir zusammenleben?“ inspirieren lassen.

Welche Räume hat die Stadt?

Erst mal ist es also gar keine Frage, der Filmwinter muss sich mit dem herumschlagen, womit die ganze Kulturwelt irgendwie fertigwerden muss. Aber möglicherweise gerät bei diesem erneuten Ins-Netz-Gehen dieses Festivals doch etwas aus dem Blick, was ganz dringlich für die Stuttgarter Kulturpolitik, aber eben nicht nur für die, im Auge zu behalten wäre. Die Frage nämlich, welche Räume solche Kunst und solche Projekte in der Stadt eigentlich noch finden.

Der Filmwinter, der Kurzfilme, Kunstinstallationen, Medienprojekte, Netzkunst, Cyberdebatten und manches andere präsentiert, war von Beginn an ein sehr fluides Festival. Man war stolz darauf, auch Angebote zu machen, die zwischen den Genres, Künsten, Institutionen, Begriffen und Wahrnehmungsmustern hingen, die ihren Definitionsversuchen immer wieder davonliefen. Darum konnte der anfangs aus der leeren Tasche finanzierte Filmwinter auch aus der Not – es waren nicht einfach gut ausgestattete Festivalorte anmietbar – eine produktive Kraft machen. Die Organisatoren und Kuratoren brillierten in Zwischennutzungen, bespielten Räume, die so vorher Kunst nicht zur Verfügung gestanden hatten und ihr bald auch wieder entzogen sein würden – die vorübergehend leer stehenden Verkaufsräume der einstigen innerstädtischen, sehr kleinen Stuttgarter Ikea-Filiale etwa, ältere Inbusschlüsselnutzer werden sich erinnern.

Ein dramatischer Wegfall: das Metropol

Ob dem Filmwinter ein allzu fester Spielort und eine Aura des Etablierten guttun würde, darüber gab es einmal Diskussionen. Aber der Trägerverein des Festivals, Wand 5 e. V., hat es gut hinbekommen, vertraute Zentren und neue Orte in Einklang miteinander zu bringen. Er hat auch überwunden, dass die Stuttgarter Kulturpolitik Filmhaus und Kommunales Kino wegbrechen ließ, aber nun muss er mit einem dramatischen Wegfall, des Kinos Metropol, fertig werden.

Ob und wie weit auf dem immer hitzigeren Immobilienmarkt Stuttgarts noch genügend bespielbare Zwischenräume zu finden wären, ob das Festival ein festes Zentrum braucht und welches, wie sich das auswirkt, wenn das Festival an sonst anders belegten Orten unterschlüpft, all das kann man an den Filmwinter-Ausgaben 2021 und 2022 pandemiehalber nicht diskutieren. Immerhin gehört der Verein zu jenen Kulturmachern, die – bislang vergeblich – um den Erhalt des Metropols als Kulturstätte gekämpft haben.

Wenn das Festival am 16. Januar mit der Preisverleihung und der Vorführung der prämierten Kurzfilme in der Tri-Bühne endet, wird man wohl kaum befinden, rein online werde der Filmwinter sowieso in alle Ewigkeit besser funktionieren.

35. Stuttgarter Filmwinter

Filme
Der Kurzfilmwettbewerb startet am 11. Januar um 18.30 Uhr. Den Wettbewerb kann man nur im Netz sehen, einzelne kuratierte Filmprogramme aber zum Beispiel am 14. Januar um 20.30 Uhr in der Ifa-Galerie.

Live
Die klassische Filmwinter-Party fällt Corona zum Opfer, aber am 16. Januar um 21.30 Uhr gibt es eine „Analog Psychedelic Light Show“ mit Phoenix Retro Light und DJ Frank Drake in der Tri-Bühne und im Stream.

Tanz
Am 15. Januar, 19 Uhr, und am 16. Januar, 14 sowie 18 Uhr, gibt es in der Tri-Bühne „In my Room“. Fassbinders „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“, die Inspiration dazu, läuft am 9. Januar, 11 Uhr, im Cinema.

Programmübersicht
Das gesamte Programm gibt’s im Netz unter www.filmwinter.de.