Während andernorts Reisende zum Sommerferienbeginn stundenlang in Warteschlangen ausharren, geht es am Stuttgart Airport bisher vergleichsweise gemütlich zu. Das soll laut der Geschäftsführung auch so bleiben. Die Nagelprobe folgt in vier Wochen.

Als dieser Tage eine der Drehtüren ins Terminal 1 des Stuttgarter Flughafens für den Bruchteil einer Sekunde stockte, schoss die Hand der Gattin reflexhaft streichelbereit in Richtung des Armes ihres laut ausatmenden Ehemanns, mit dem sie mutmaßlich in den Urlaub aufbrach. Doch der Stuttgart Airport offeriert auch jenen Reisenden Beruhigung, die ohne einschlägig trainierte Begleitung einchecken und abheben müssen: „Bitte ganget se oifach weiter“, empfiehlt auf Schwäbisch eine hinreichend sanfte Stimme vom Band aus dem Off, sobald die Drehtür erneut für einen Augenblick stockt. Die darauffolgende englische Übersetzung vermag den Eindruck der Beschaulichkeit nicht mehr zu gefährden. Flugchaos? Nicht hier! Bis auf ein paar ausgefallene Eurowings-Flüge lief der Abfertigungsbetrieb auch am Donnerstag normal.

 

Orientierung am Wohn- und Schlafzimmer-Modell

Um 10.50 Uhr betrug die Wartezeit bei der Sicherheitskontrolle in Terminal 3 eine Minute, in Terminal 2 zwei Minuten. Die Sicherheitskontrolle in Terminal 1 musste gar nicht erst geöffnet werden. Dem Stuttgart-Airport hilft auch bei starkem Passagieraufkommen seine Durchlässigkeit: Unabhängig davon, in welchem Terminal man sich selber und sein Handgepäck kontrollieren lässt, hat man hinterher Zugang zu jedem Flugsteig. Während an Großflughäfen wie in Frankfurt die Terminals klar und von einem bestimmten Zeitpunkt an unpassierbar voneinander getrennt sind, handelt es sich bei der Terminal-Aufteilung in Stuttgart eher um eine gemütliche Nachempfindung eines Wohn- und Schlafzimmer-Modells.

Im Schlafzimmer, also in Terminal 3, erschien die Warteschlange vor den notorisch sparsam besetzten Check-in-Schaltern des Touristikkonzerns Tui am Donnerstag gegen 11 Uhr auf den ersten Blick mal wieder monströs: Die disziplinierten Schwaben, die für ihre Bordkarten nach Teneriffa oder nach Heraklion anstanden, formten bereits in weiter Ferne von den Schaltern eigenständige Warteschlangenmuster, manche von ihnen konnten jedoch in Schalternähe der Versuchung offenbar nicht widerstehen, durch kreatives Umstecken der Absperrbänder zur Kanalisierung der Urlauber-Massen ihre individuelle Wartezeit radikal zu verkürzen. Eine Check-in-Agentin eilte daraufhin zur geöffneten Schleuse und unterband das Vordrängeln resolut, aber freundlich. Wer die gewohnte Reihenfolge einhielt, bekam nach einer halben Stunde in der Schlange seinen Boardingpass im Tausch gegen seinen Koffer – kein Vergleich mit Flughäfen in Nordrhein-Westfalen, wo zum dortigen Sommerferienbeginn am vergangenen Wochenende mehrstündige Wartezeiten gemeldet wurden.

Mit Zuversicht in die Sommerferien

Gleich drei Bundesminister versprachen daraufhin bei einer Pressekonferenz Abhilfe, auf Twitter trendete der Hashtag #Flugchaos, und einem Nutzer aus Berlin missfiel die Prioritätensetzung der Politik: „Über zwei Jahre wurde trotz katastrophaler Zustände in den systemkritischen Einrichtungen nichts getan“, schrieb Volker Nawrath, „und jetzt, wo der Saufurlaub von Horst und Gerda in Gefahr ist, greifen Ministerien ein“.

Der Flughafen Stuttgart verschickte unterdessen eine Pressemitteilung, die ähnlich beruhigend wirkt wie die Streichelhand am Arm des genervten Gatten oder die schwäbische Durchsage. Darin wird Walter Schoefer, der Sprecher der Geschäftsführung der Flughafen Stuttgart GmbH, zitiert: „Der Sommer wird auch für uns eine große operationelle Herausforderung. Alle hier tun ihr Bestes, um den Reisenden einen möglichst reibungslosen Urlaubsstart zu ermöglichen. Wir blicken mit Respekt, aber zuversichtlich in Richtung Sommerferien.“ Sicherheitshalber rät der Airport, mindestens zwei Stunden vor Abflug am Flughafen zu sein.